In den USA kommt es bei Protesten anlässlich des Todes von George Floyd immer wieder zu Gewaltausbrüchen.

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Einsatzkräfte des NYPD in Bereitschaft.

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Demonstranten in Washington D.C. verbrennen die amerikanische Flagge.

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Polizeieinsätze in den USA, bei denen Afroamerikaner ums Leben kamen

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Washington/Minneapolis – Am sechsten Tag nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis haben die Proteste an Heftigkeit zugenommen. In Städten wie Minneapolis, New York, Washington, Los Angeles oder Philadelphia kam es am Sonntagabend trotz Ausgangssperren zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Es wurden Polizeiautos in Brand gesetzt, Fensterscheiben eingeschlagen und Geschäfte geplündert. Auch über mögliche Todesopfer im Zusammenhang mit den Ausschreitungen wird berichtet. Die Proteste richten sich gegen Polizeigewalt, Brutalität und Ungerechtigkeit gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Der Fernsehsender CNN berichtete, seither seien landesweit insgesamt etwa 4.000 Menschen bei Protesten festgenommen worden. Mindestens 40 Städte, unter anderem New York City, haben nächtliche Ausgangssperren verhängt.

Autopsiebericht belastet Polizist

Anwälte der Familie von George Floyd haben einen Autopsiebericht vorgelegt, der vorläufigen Erkenntnissen der Behörden widerspricht und die Polizei schwer belastet. Unabhängige Gerichtsmediziner seien zu der Erkenntnis gekommen, dass Floyd bei dem brutalen Polizeieinsatz am Montag vergangener Woche in Minneapolis erstickt sei, teilte Anwalt Ben Crump am Montag mit.

Der von den Anwälten mit Floyds Autopsie betraute Mediziner Michael Baden sagte: "Die Autopsie hat gezeigt, dass es keine Vorerkrankung gab, die zu seinem Tod geführt oder dazu beigetragen hat." Der offizielle Gerichtsmediziner hatte auf Grundlage vorläufiger Erkenntnisse Vorerkrankungen für Floyds Tod mitverantwortlich gemacht. Er ging davon aus, dass der 46-Jährige nicht erstickte.

Familie will Gerechtigkeit

Ein Sohn des Getöteten rief dazu auf, Gewalt zu vermeiden. In einem TV-Interview mit dem CNN-Tochtersender KBTX appellierte Quincy Mason Floyd an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Der Bruder des Toten, Philonise Floyd, forderte am Sonntag auf CNN, auch die anderen drei Polizisten festzunehmen, die beteiligt waren und nicht einschritten. "Ich will Gerechtigkeit – jetzt."

Floyd war am Montagabend nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gestorben. Einer von vier beteiligten Beamten, Officer Derek Chauvin, saß dem 46-Jährigen minutenlang mit dem Knie im Nacken. Die Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er. Chauvin wurde mittlerweile verhaftet und wegen "Mord dritten Grades" und wegen Totschlags angeklagt. Die erste Anhörung vor Gericht soll am 8. Juni stattfinden.

Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, entschuldigte sich am Sonntagabend bei den Angehörigen. "Wenn ich irgendetwas tun könnte, um Herrn Floyd zurückzubringen, würde ich Himmel und Erde bewegen, um es zu tun", sagte Arradondo bei einem Auftritt an dem Ort, an dem Floyd getötet worden war. Arradondo hatte die vier beteiligten Polizisten entlassen.

Die "New York Times" hat mittlerweile in einem Video rekonstruiert, wie eine Reihe von Polizeihandlungen in Floyds Tod münden konnte. Die 8 Minuten und 46 Sekunden basieren auf Aufnahmen von Sicherheitskameras, Videos von anwesenden Zeugen und offiziellen Dokumenten.

NBC News

Trump musste in Bunker

Vor dem Amtsitz des Präsidenten in Washington kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Demonstranten, die "Kein Frieden ohne Gerechtigkeit" skandierten. CNN meldete, bereits am Freitag sei Trump wegen der Proteste vor dem Weißen Haus für knapp eine Stunde in einen Bunker gebracht worden.

Trump drohte den Demonstranten daraufhin mit "bösartigsten Hunden und den bedrohlichsten Waffen", sollte jemand über den Zaun des Weißen Hauses klettern. "Dann wären Leute zumindest wirklich schwer verletzt worden." Internationale Medien kritisieren Trump dafür, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen.

LKW in Demonstration gefahren

In Minneapolis fuhr am Sonntag ein Tankwagen auf einer Autobahn mit Tausenden Demonstranten in eine Menschenmenge. Der Fahrer sei festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Die Hintergründe waren zunächst unklar. Verletzt wurde offenbar niemand.

In New York nahmen vor allem in den Stadtvierteln Brooklyn und Manhattan bis zu 6.000 Menschen an Protesten teil, wie örtliche Medien unter Berufung auf Behörden berichteten. Einige Demonstranten hätten Glasflaschen und Müll auf Polizisten geworfen, Autos angezündet und Feuer in Mülleimern gelegt. Die Manhattan Bridge zwischen Brooklyn und Manhattan musste vorübergehend gesperrt werden.

In der Stadt wurden am Wochenende etwa 30 Polizisten verletzt und rund 350 Menschen festgenommen. Unter ihnen war nach Informationen aus Polizeikreisen auch Chiara de Blasio, die 25-jährige Tochter des Bürgermeisters Bill de Blasio. Sie sei wieder auf freien Fuß gesetzt worden. "Ich liebe meine Tochter sehr, ich verehre sie. Sie ist so ein guter Mensch, sie will nur Gutes in der Welt tun, sie will eine bessere und friedlichere Welt sehen", mit diesen Worten stellte sich der Stadt-Chef hinter seine Tochter.

Berichte über Todesopfer

In Kentucky ist eine Person nach einem Schusswechsel mit der Polizei verstorben. Zwei Tote gab es im Zuge der Proteste in Davenport (Iowa). US-Medien berichteten bereits in den vergangenen Tagen immer wieder über Todesopfer im Zusammenhang mit den Protesten. Die Umstände sind jedoch bisher noch nicht geklärt. In Indianapolis (Indiana) wurde mindestens ein Mensch in der Nähe von Demonstrationen durch Schüsse getötet, wie der Sender NBC News unter Berufung auf die Polizei berichtete. Was genau geschah, war zunächst unklar. Auf Twitter schrieb die Polizei, ihre Beamten seien nicht beteiligt gewesen. In Minneapolis wurde ein Mann in unmittelbarer Nähe zu einem geplünderten Geschäft niedergeschossen.

Die Nationalgarde bewachte am Sonntag das US-Capitol.
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In der Nähe eines brennenden Wagens in Minneapolis ist zudem ein Toter mit laut Polizei "deutlichen Anzeichen von Verletzungen" entdeckt worden. Ob der Todesfall mit den Protesten zusammenhängt, war zunächst unklar, Ermittlungen laufen.

Zwei Polizisten wegen "exzessiver Gewalt" gefeuert

In Atlanta (Georgia) wurden zwei Polizeibeamte gefeuert, nachdem Videos im Internet zeigten, wie sie zwei farbige Studenten mit Elektroschockern angreifen und aus einem Auto ziehen. Antlantas Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms erklärte, sie habe die Aufnahmen der "Body Cam" gesehen und "es war verstörend auf mehreren Ebenen, nicht zuletzt weil offensichtlich ist, dass exzessive Gewalt eingesetzt wurde." Drei weitere Beamte wurden in den Innendienst versetzt, bis die Vorfälle geprüft sind.

Trump: Greifen Sie hart durch

US-Präsident Donald Trump rief ausdrücklich Gouverneure und Bürgermeister der Demokratischen Partei zu einer härteren Gangart auf. "Greifen Sie hart durch", schrieb Trump am Sonntag auf Twitter. "Diese Menschen sind Anarchisten. Rufen Sie jetzt unsere Nationalgarde. Die Welt schaut zu und lacht Sie und den schläfrigen Joe aus."

Diesen verunglimpfenden Spitzname hat der Republikaner Trump seinem voraussichtlichen Herausforderer bei der Wahl im November, dem demokratischen Ex-Vizepräsidenten Joe Biden, verpasst. Biden selbst verurteilte ebenfalls die Gewalt und "unnötige Zerstörung", unterstrich aber auch das Recht auf Demonstrationen gegen Polizeigewalt.

Trump wirft den Demokraten immer wieder vor, nicht hart genug gegen Kriminalität vorzugehen. Für die Ausschreitungen macht das Staatsoberhaupt Linksradikale und die Antifa verantwortlich. Belege dafür hat er bisher nicht präsentiert. Die Antifa will Trump als Terrororganisation einstufen lassen.

Musiker, Sportler und Hollywoodstars forderten ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt. "Das muss aufhören", schrieb die Sängerin Madonna (61) auf Instagram. Die Musikerin Beyonce (38) wandte sich in einer Videobotschaft an ihre Fans auf Instagram und forderte "Gerechtigkeit für George Floyd". Lady Gaga (34) schrieb in einem langen Post auf Twitter, sie sei von Floyds Tod "schockiert". Wie viele andere Stars auch kritisierte sie Präsident Trump.

Polizei solidarisiert sich mit Demonstranten

In Genese County in Michigan sorgt ein Sheriff für Aufsehen gerade in der momentan besonders angespannten Situation. In der Stadt Flint schließt sich Sheriff Chris Swanson den Protesten an und marschiert mit seiner Einheit mit. Er trat vor eine Gruppe Demonstranten und sagte: "Ich habe meinen Helm ausgezogen, meine Schlagstöcke abgelegt. Ich will, dass das hier eine Parade wird, kein Protest."

US-Medienberichten zufolge zeigten sich über das ganze Land verteilt Polizisten immer wieder solidarisch mit friedlichen Demonstranten. Es gibt unter anderem Berichte von Einsatzkräften in Iowa, North Dakota, Oregon, Wisconsin und New Jersey, die aus Solidarität in die Knie gingen. (red, APA, 1.6.2020)