Das gesamte Ibiza-Video soll an den U-Ausschuss übermittelt werden. Über das Wie herrscht noch Unklarheit.

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Wien – Der Aufenthaltsort des sichergestellten Ibiza-Videos wird nun auf Ministerebene diskutiert werden: Am Dienstag will Justizministerin Alma Zadić den Innenminister Karl Nehammer treffen, um zu diskutieren, wie das Ibiza-Video an den dazugehörigen U-Ausschuss übermittelt werden kann. In den vergangenen Tagen entspann sich hierzu ein intensiver Streit zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) und der Soko Tape. Die Aufteilung: Die Soko ermittelt im Auftrag der beiden Staatsanwaltschaften; die StA Wien ist für die Suche nach den Hintermännern des Videos sowie die Spesenaffäre in der FPÖ zuständig; die WKStA hingegen für die Inhalte des Videos.

Letztere erfuhr offenbar erst aus den Medien, dass die Soko Tape den begehrten Clip schon Ende April sichergestellt hat. Die Soko sagt dazu, dass der Fund im Auftrag der StA Wien erfolgt sei – und die sei auch informiert worden. Nun wollen bekanntlich Abgeordnete des U-Ausschusses das Video sehen. Dazu ist eine Lieferung durch die Justiz nötig. Da das Video aber nur in der Soko des Innenministeriums ist, kann es angeblich nicht übermittelt werden.

Aus dem Umfeld der Soko heißt es jedoch, dass die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens jederzeit die Übermittlung des Videos anfordern und es an den U-Ausschuss weitergeben kann. Diese Rechtsansicht teilt auch die Finanzprokuratur, die um eine Stellungnahme gebeten wurde.

Politisch heißt es dazu derzeit "jeder gegen jeden": Die ÖVP griff die WKStA an, deren Verhalten gemäß der türkisen Perspektive den Streit angeheizt habe. Die Grünen hingegen attackierten ihren türkisen Koalitionspartner frontal: "Die völlig zusammenhanglosen Vorwürfe gegen die WKStA entbehren jeder Grundlage und fügen sich nahtlos in eine Reihe früherer Versuche ein, die Behörde als solche zu diskreditieren und zu schwächen", sagte Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer am Montagnachmittag in einer Aussendung: Wer saubere Politik wolle, müsse die Behörden frei arbeiten lassen.

Die FPÖ sprach hingegen von einem "gefährlichen Eigenleben" bei der Soko. An der bemängeln im Hintergrund wiederum Abgeordnete abseits der FPÖ, dass sie ihre Ermittlungstätigkeit zu sehr auf die Hintermänner des Videos und deren Umfeld statt auf die Inhalte fokussiere. So hieß es, die Soko rolle gerade die "Balkanmafia" in Österreich auf.

Weitreichende Ermittlungen

Ein Beispiel dafür: Gegen den Bosnier K. und die Slowakin K. H., die aus dem Umfeld des mutmaßlichen Video-Urhebers H. stammen und seit einem halben Jahr in U-Haft sitzen, wurde im März Anklage erhoben. Es geht um Kokainhandel und um den unbefugten Besitz und die Überlassung einer Schusswaffe. In der Anklageschrift kommt auch Detektiv H. im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten vor. Er soll dem Bosnier "in zumindest drei Tranchen eine größere Menge Kokain" übergeben haben. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

In Beschuldigtenvernehmungen, die dem STANDARD vorliegen, tätigt die Slowakin Vorwürfe gegenüber H. Sie gibt etwa an, dass der Detektiv mit ihr Suchtgift hergestellt und sie bedroht habe. In anderen Vernehmungen zum Treffen mit H. werden diese Details von der Slowakin jedoch teilweise nicht genannt oder anders dargestellt. Offenbar wurde die Beschuldigte wenige Jahre zuvor wegen Beweismittelfälschung verurteilt. Ihr Anwalt wollte keine Stellungnahme abgeben.

Dass sich die Soko auf derartige Quellen gegen die mutmaßlichen Ibiza-Urheber stützt, wird in weiten Kreisen der Opposition äußerst kritisch gesehen. Johannes Eisenberg, Anwalt von H., spricht von "konstruierten Vorwürfen".

Die StA Wien beantragt in der Anklageschrift die Vernehmung von zwölf Zeugen, Detektiv H. ist nicht darunter. Der Bosnier und die Slowakin sitzen in Wien in U-Haft. Weil die Delikte in Salzburg stattgefunden haben sollen, wurde das Verfahren nach Salzburg ausgelagert. Die Verteidigung will aber eine Verlegung nach Wien. Darüber wurde, ebenso wenig wie über einen Prozessstart, noch nicht entschieden. (David Krutzler, Fabian Schmid, 1.6.2020)