Am Weg zu einer Party fragte die Freundin Anna die Frau ohne Eigenschaften, ob sie denn – jetzt wo sie joblos war – Unterstützung vom AMS erhielt. Und Lena antwortete: "Ja! Und zwar nicht wenig!" Die Arbeitslosmeldung habe viel Erleichterung in ihr Leben gebracht. Sie käme gut über die Runden und merkte, wie wenig man eigentlich zum Leben brauchte.

Nach einer Phase des Rückzugs im Land öffneten die Vergnügungen wieder ihre Tore. Lena und Anna nahmen die Einladung zur 30er-Geburtstagsfeier einer Freundin dankend an. Viel zu lange hatten sie sich alle nicht gesehen. Die Freude war groß. Auch Paul und Franz kamen mit.

Die Feier war unkompliziert organisiert. Es wurde gegrillt. Jeder geladene Gast brachte eine Beilage und Getränke mit. Es war noch Frühling. Im Schatten kühlte die Luft. Doch die Sonne, die an diesem späten Nachmittag auf das Gartenfest hinunterstrahlte, ließ die ersten Sommersprossen auf den Nasen tanzen. Zwischen dem Hendlstall und einer Wiese mit hochgewachsenem Gras hatte die Frau ohne Eigenschaften mit ihren Freunden Platz genommen.

Kohlen in Schwung bringen

Die Gräser schmiegten sich aneinander, wenn der Wind sie anhauchte. Mit ihnen flogen die Wolken unaufgeregt über das Land. Lena dachte darüber nach, dass Anna nicht das Wort "arbeitslos", sondern "joblos" verwendet hatte. Und es stimmte. Sie war nicht arbeitslos. Denn sie hatte begonnen, an kleineren Projekten zu arbeiten. Sie schrieb Texte, zeichnete viel, las für einen Verlag ein Manuskript Korrektur. Sie kochte, ging hinaus in die Natur und sah "den Blattln beim Wehen zua", hörte sie den Nino aus Wien singen.

Franz half eifrig, die Kohlen in Schwung zu bringen. Die Mägen der Gäste kluckerten bereits. Die Männer diskutierten heftig über Feuer und Fleisch. Die Frauen kicherten gelassen und sprachen über ihre Körperpflegeroutinen. Lena saß dazwischen und schwieg. Sie interessierte sich nicht mehr für Make Up und Hairstyling. Die Zeiten waren vorbei. Doch auch sie hatte in den Wochen zu Hause Gefallen daran gefunden, sich ihrem Körper zu widmen.

Großzügig schmierte sie sich morgens nach dem Duschbad die Beine entweder mit Sandelholzöl oder mit einer edlen Mandellotion ein. Die Creme auf das Gesicht aufzutragen, war wie in Marzipan zu beißen. Sie genoss dieses erste Frühstück und freute sich darüber, dass ihr liebster Paul bereits in der Küche den Quinoa-Hirse-Brei zubereitete.

Gräser im Wind
Foto: Katharina Ingrid Godler

Zwischen "Eh Ok" und Cevapcici

Für Lena waren es gemütliche Zeiten gewesen. Die Lokale waren lange geschlossen geblieben. Veranstaltungen waren abgesagt worden. Lena schätzte es, nicht konsumieren zu müssen. Nun war das Ausgehen wieder möglich. Doch Lena ließ es bleiben. Sie hatte es nicht vermisst und ging abends lieber spazieren.

Oft ging es gar nicht so sehr darum, etwas zu werden, oder nach außen hin zu zeigen, dass man etwas ist, überlegte Lena. Es ging ihr viel eher darum, bei sich zu bleiben und einen gut überlegten Alltag zu führen. Piña Colada konnte sie auch zu Hause trinken.

An diesem Abend war sie zur Abwechslung unter Freunden und freute sich über das Cevapcici und die Melanzani vom Grill mit Ajvar und Maisbrot. In der Küche stand schon die Grillagetorte bereit. Eine "Tortn mit Kirschen verziert", singt der Nino aus Wien. Ja, die Frau ohne Eigenschaften feierte wieder, aber in Ruhe und unaufgeregt. (Katharina Ingrid Godler, 4.6.2020)

Fingerzeig

  • Das Zitat "Eh Ok" referenziert auf das Lied mit dem gleichnamigen Titel von der Musikgruppe Granada. "Pina Colada" ist ein weiteres Lied von Granada.
  • Die anderen Zitate stammen aus den Liedern "Schlagoberskoch" und "Unentschieden gegen Ried" von Der Nino aus Wien.

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