Giorgia Meloni über Giorgia Meloni: Sie sei "nachdenklich und pingelig", während Lega-Chef Matteo Salvini eher "impulsiv" sei.
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Auf den Mund gefallen ist die 43-Jährige aus dem Römer Arbeiterviertel Garbatella normalerweise nicht, im Gegenteil. Doch wenn es um das Verhältnis zu Lega-Chef Matteo Salvini geht, hält sich Giorgia Meloni auffallend zurück. "Je mehr Menschen bestimmte politische Ideen vertreten, desto besser", pflegt sie auf die Frage zu antworten, ob sie sich inzwischen schon als Konkurrentin Salvinis um den Führungsanspruch im rechten Lager sehe. Man ergänze sich ganz gut: Sie sei "nachdenklich und pingelig", während der Lega-Chef eher "impulsiv" sei.

In Wirklichkeit gibt es diese Konkurrenz unter Italiens Rechten und Ultrarechten aber sehr wohl – und die Temperamentsunterschiede von Meloni und Salvini sind in der Corona-Krise deutlicher denn je zutage getreten. Meloni hält sich eher an das von Staatspräsident Sergio Mattarella geforderte nationale Zusammenstehen und trägt die Maßnahmen der Regierung von Giuseppe Conte im Großen und Ganzen mit. Salvini dagegen forderte zu Beginn der Epidemie erst die vollständige Abriegelung des Landes, während es ihm jetzt mit den Lockerungen nicht schnell genug gehen kann. Seiner Glaubwürdigkeit war dies nicht unbedingt zuträglich.

Steigflug in den Umfragen

Die Zurückhaltung während des nationalen Corona-Notstands hat sich für Meloni jedenfalls ausgezahlt: Die von ihr im Jahr 2013 gegründeten postfaschistischen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) sind von sechs Prozent bei der Europawahl vor einem Jahr in den Umfragen auf 15 Prozent gestiegen (Stand 1. Juni), während Salvinis rechtspopulistische und fremdenfeindliche Lega im gleichen Zeitraum von 34 auf 26 Prozent gesunken ist.

Die Stimmengewinne Melonis dürften fast vollumfänglich auf Kosten Salvinis erfolgt sein – zumal der dritte Rechte im Bunde, der vielfache Ex-Premier und Medienunternehmer Silvio Berlusconi, in der Krise bisher eine gute Figur machte und die Stimmenanteile seiner Forza Italia bei knapp über acht Prozent halten konnte. Bezüglich der persönlichen Beliebtheit liegt Meloni längst vor Salvini.

Die Diskussion darüber, wer von ihnen nun rechter sei, belustigt sie: "Ich bin die Rechte, ich bin schon rechts geboren", betont die Römerin. In der Tat war Meloni war schon im Alter von 15 Jahren dem Fronte della Gioventù ("Jugendfront") des postfaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) beigetreten. Später politisierte sie in der Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, der die Postfaschisten auf die Demokratie verpflichtet und regierungsfähig gemacht hatte. Im Jahr 2008 wurde Meloni unter Silvio Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin. Damit war sie definitiv in der nationalen Politik angekommen.

Maskenträgerin Giorgia Meloni und Teilzeit-Maskenträger – sowie neuerdings auch Brillenträger – Matteo Salvini am Dienstag bei einer Demo anlässlich des italienischen "Tages der Republik".
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Duce-Nostalgiker und ehemalige neofaschistische Schläger

Zu Melonis Sympathisanten zählen Duce-Nostalgiker und ehemalige neofaschistische Schläger; bei ihren Wahlkampfauftritten ist regelmäßig der "römische Gruß" zu sehen, der dem Hitlergruß in Nazideutschland entsprach.

Meloni selbst gibt sich dagegen als moderne und emanzipierte Frau und Mutter, die mit den ewiggestrigen Mussolini-Anhängern wenig gemein hat. So richtig distanzieren von der Diktatur mag sie sich dennoch nicht: "Der Faschismus muss im Kontext seiner Zeit beurteilt werden", erklärt Meloni. Ihr Slogan entspricht jenem Salvinis: "Prima gli italiani" – die Italiener zuerst.

Dennoch zeigt sich Meloni vergleichsweise moderat, besonders in außenpolitischen Fragen: Sie steht dem Euro und der EU zwar skeptisch gegenüber, verzichtet aber auf aggressive Lega-Slogans wie "Basta Euro". Nicht nur in Brüssel, sondern auch in den USA gilt Meloni deswegen als deutlich vertrauenswürdiger als Salvini, der aus seiner Begeisterung für Russlands Präsidenten Wladimir Putin nie ein Hehl gemacht hat und dessen Lega im Verdacht steht, sich um illegale Parteispenden aus dem Kreml bemüht zu haben.

Ungleiches Gespann

Dass Meloni Salvini bezüglich Beliebtheit inzwischen den Rang abgelaufen hat, liegt nicht zuletzt an Salvini selber: Mit dem selbstangezettelten Sturz seiner eigenen Regierung im vergangenen August hat der damalige Innenminister einen politischen Anfängerfehler begangen, der seinen Siegernimbus bis heute angekratzt hat. Mit seiner oft rüden Art, den politischen Gegner zu attackieren, verschreckt Salvini außerdem viele moderate Rechtswähler.

Hinzu kommt, dass der Vollblutpopulist Salvini zuletzt unter dem Verbot öffentlicher Veranstaltungen und unter den Corona-Kontaktbeschränkungen zu leiden hatte: Der Lega-Chef läuft nämlich vor allem dann zur persönlichen Höchstform auf, wenn er ein Bad in der Menge nehmen und dabei ungeniert provozieren kann.

Inzwischen liebäugelt Meloni deshalb mit einer eigenen Spitzenkandidatur bei der nächsten Parlamentswahl. "Italien wäre reif für seine erste Premierministerin", erklärte sie schon vor ein paar Monaten. Die Abmachung mit der Lega sei aber klar: Den Spitzenkandidaten einer künftigen Rechtskoalition aus Salvini, Meloni und Berlusconi stellt diejenige Partei, die in den Umfragen vorne liegt – und das sei im Moment noch die Lega. Melonis Betonung liegt auf "noch". (Dominik Straub, 2.6.2020)