Wien – Der Nervenkrieg um die Ryanair-Basis in Wien ist noch nicht zu Ende. Mehr als hundert Mitarbeiter der Ryanair-Tochter Laudamotion sind am Dienstagvormittag in der Wiener Innenstadt aufmarschiert und forderten von der Gewerkschaft Vida die Zustimmung zu dem neuen Kollektivvertrag (KV) mit niedrigeren Gehältern.

Manche hatten Familien dabei, manch einer sein Kind, das ein Schild mit der Aufschrift "Mein Papa soll Pilot bleiben" trug. Es sind jene, die dafür sind, dass die Laudamotion-Basis in Wien auch unter verschärften Bedingungen bestehen bleibt, und darauf pochen, dass viele der Kolleginnen und Kollegen das ebenso sehen.

Sie bangen um ihre Arbeitsplätze: Lauda-Mitarbeiter in Wien.
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"Vida sign now new CLA" oder "Menschen haben ein Recht auf Arbeit" stand auf den Transparenten, die sie mit sich trugen. Eines haben sie zumindest erreicht: Diesen Mittwochnachmittag steht noch einmal eine Verhandlungsrunde zwischen den Sozialpartnern an. Wobei die Wirtschaftskammer dem neuen KV schon zugestimmt hatte, noch ehe Laudamotion noch einmal draufgelegt hat.

Armutsschwelle als Knackpunkt

Das Unternehmen hatte zuletzt ein garantiert auszuzahlendes Einkommen von 19.200 Euro pro Jahr angeboten und erklärt, es liege um 65 Euro über der von der Vida als Knackpunkt genannten Armutsgrenze, und das ohne flugabhängige Bezahlung – bei normalem Flugbetrieb würden die Gehälter auf ein durchschnittliches Bruttomindestgehalt von rund 1.800 Euro im Monat steigen, also bei 14 Monatsgehältern 25.000 Euro jährlich, argumentiert die Arbeitgeberseite.

Kommt es zu keiner Einigung, sind rund 500 Jobs in Wien wohl verloren.
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Die Gewerkschaft wiederum spricht von einem monatlichen Fixum von 1.000 Euro. Könne ein Mitglied der Cabincrew nicht fliegen, weil Urlaub oder Krankheit oder eine Situation wie derzeit vorherrscht, würde der Differenzbetrag nur im Nachhinein ausbezahlt, womit das unternehmerische Risiko von Laudamotion auf die Beschäftigten abgewälzt würde.

Verschiedene Fronten

Die Fronten verlaufen auf verschiedenen Ebenen. Einerseits zwischen den Sozialpartnern, also Wirtschaftskammer und Gewerkschaft Vida, andererseits zwischen Laudamotion und den hausinternen Belegschaftsvertretern, denn Laudamotion erkennt den gewählten Betriebsrat nicht an, der nächste Gerichtstermin in der Sache steht am 1. Juli an. Nicht zuletzt sind aber auch die Beschäftigten selbst gespalten. Da gibt es etwa jene, die bei der Leiharbeitsfirma Crewlink unter Vertrag sind und als Flugbegleiter schon jetzt mit rund 1.100 Euro (ohne Diäten und Zulagen) verhältnismäßig schlechter aussteigen als die Laudamotion-Mitarbeiter.

Sie hätten vergleichsweise wenig zu verlieren. Zudem kommen manche von ihnen aus Ländern wie etwa Serbien, wo selbst dieses Gehalt noch als üppig angesehen wird. Andere zählen zu den besser bezahlten Piloten, denen trotz kräftiger Abstriche noch genug zum Leben bleiben würde, oder zu den Jungpiloten, die einen Schuldenrucksack aus der Ausbildung mitschleppen. Sie alle argumentieren, lieber hätten sie einen schlecht bezahlten Job als gar keinen, denn in der derzeitigen Krise der Airline-Branche gebe es keine Möglichkeit auf neue Jobs.

Besser ein schlechter Job als keiner, finden so manche. Das sehen aber nicht alle Mitarbeiter so.
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Das sieht naturgemäß nicht jeder so. Einer von ihnen – nennen wir ihn Jonas B. – will nicht namentlich in der Zeitung stehen. B. hofft jedenfalls, dass der neue Kollektivvertrag nicht unterschrieben wird. Der 24-jährige ist Senior-Flugbegleiter. Im letzten Jahr hat er monatlich im Schnitt 2.000 Euro netto verdient. Jetzt in der Kurzarbeit bekommt er 1.500 Euro. Seine Wohnung könne er sich schon jetzt nicht mehr leisten, sagt B. Gott sei Dank habe ihn der Vermieter aus dem Vertrag entlassen, und er könne in eine günstigere Wohnung von Bekannten ziehen. Der Druck sei schon unter Niki Lauda hoch gewesen, sagt er, aber jetzt sei das Betriebsklima "jenseits von Gut und Böse".

Er verstehe diejenigen, die für den Fortbestand der Laudamotion in Wien kämpfen, sagt B. Sie könnten wohl auch vom gekürzten Salär leben. Er kenne aber genug Kolleginnen und Kollegen, bei denen es nicht reiche. Das gelte auch für ihn. Von einem Vollzeitjob müsse man leben können, sagt auch B. und gibt der Vida recht. Er hat jetzt sein Leben vollständig umgekrempelt, das Auto abgemeldet. Wie auch immer die Sache ausgehe, am Ende wäre es wohl gescheiter, beim Diskonter Hofer als Mitarbeiter anzuheuern, als wirklich alles zu akzeptieren: "Das war einmal mein Traumjob, aber das ist schon lange nicht mehr so."

Ultimatum verlängert

Die Lauda-Geschäftsführung hat jedenfalls das Ultimatum noch einmal auf Mittwoch erstreckt. Für den späten Nachmittag wurde ein Verhandlungstermin anberaumt. Abrücken von seiner Position wird Laudamotion kaum. Den neuen KV unterschreiben – oder die Flüge der Basis Wien werden wie angedroht von Ryanair-Piloten übernommen, lautet die Warnung. Zuzuschreiben hätte sich das dann allein die Vida. Für den Fall, dass es am Mittwoch zu keiner Einigung kommt, will man am Donnerstag jedenfalls den neuen Flugplan ab Juli für Wien – naturgemäß mit fantastischen Ticketpreisen – vorstellen.

Ryanair-Boss Michael O'Leary soll im Übrigen eine rechte Freude daran haben, dass in Wien ein Teil der Lauda-Belegschaft gegen die Gewerkschaft und nicht gegen Ryanair auf die Straße geht. (Regina Bruckner, 3.6.2020)