Bereits jetzt hat die EZB ein Drittel der ursprünglich mit 750 Milliarden Euro veranschlagten Corona-Anleihenkäufe getätigt.
Foto: Imago

Der durch die Corona-Krise ausgelöste Abschwung in der Eurozone dürfte stärker als ursprünglich erwartet ausfallen – und auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Unterstützung entsprechend ausbauen. Konkret geht es um das Corona-Anleihenkaufprogramm Pepp, bei dem die Notenbank das Volumen bei ihrer Sitzung am Donnerstag laut Prognosen von Ökonomen um eine halbe Billion Euro aufstocken wird. Bisher ist vorgesehen, bis Jahresende Schuldverschreibungen im Wert von 750 Milliarden Euro zu erwerben.

Mit den Anleihenkäufen versucht die EZB auch, ein Abgleiten in eine Deflation, also eine Periode fallender Konsumentenpreise, zu verhindern. Bereits im Mai war die Inflation in der Eurozone mit nur 0,1 Prozent beinahe völlig zum Erliegen gekommen. Es wird in der Krise kaum konsumiert, die Sparquoten schießen nach oben, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes verringert sich.

"Bedenkliches Zeichen"

"Es ist ein bedenkliches Zeichen, dass die Inflation in der Eurozone so niedrig ist", sagt Wifo-Experte Thomas Url und interpretiert dies als "Alarmsignal" für die Währungshüter rund um EZB-Chefin Christine Lagarde. Was ihm zufolge ebenfalls für eine großzügige Aufstockung des Anleihenkaufprogramms spricht: Neben den billionenschweren Konjunkturprogrammen der EU-Kommission und der Staaten wirken die Maßnahmen der EZB bisher bescheiden.

Österreich hat laut Url etwa zehn Prozent des BIP dafür lockergemacht, Frankreich 15 Prozent und Deutschland gar 35 Prozent. Das bisherige Volumen der Anleihenkäufe von 750 Milliarden Euro entspreche jedoch nur 5,6 Prozent des BIP der Eurozone. "In dieser Situation ist es sinnvoll, wenn die Geldpolitik die Fiskalpolitik unterstützt", sagt Url. Konkret geht es darum, durch die Käufe der Zentralbank dafür zu sorgen, dass die Anleihenrenditen der durch die Rettungspakete finanziell belasteten Mitgliedsstaaten nicht merklich steigen.

Dynamische Käufe

Ein Argument, das ebenfalls für eine Aufstockung der Anleihenkäufe spricht, bringt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert ins Spiel: Bereits jetzt habe die EZB etwa ein Drittel des ursprünglichen Kaufvolumens von 750 Milliarden Euro getätigt. "Setzt die EZB ihre Käufe mit der bisherigen Dynamik fort, dürfte bereits Anfang Juli – also schon gut drei Monate nach Programmbeginn – die Hälfte der Mittel verbraucht sein, obwohl das Programm laut EZB in jedem Fall bis Jahresende dauern soll", sagt Schubert.

Auch die Währungshüter selbst haben signalisiert, dass sie nachjustieren wollen. Man sei bereit, die Wirtschaft durch eine Erhöhung des Pepp-Programms zu unterstützen, heißt es in den Protokollen der jüngsten Zinssitzung. Zusätzlich zu den den Corona-Hilfen hat die Zentralbank im Vorjahr ihr "normales" Anleihenkaufprogramm reaktiviert. Seit November werden Schuldverschreibungen im Wert von 20 Milliarden Euro pro Monat erworben. (Alexander Hahn, 2.6.2020)