Zwischen dem Haus und zwei Neubauten entstehen Innenhöfe.

Renderings: Marte Marte

Die beiden Dachgiebel von Hitlers Geburtshaus werden rekonstruiert.

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Wie geht man mit dem Geburtshaus eines Mannes um, der den Zweiten Weltkrieg auslöste und dem Lauf der Weltgeschichte einen unheilbaren Knick verpasste? Dieser Frage widmete sich in den letzten Jahren eine von der Bundesregierung einberufene Expertenkommission aus Historikerinnen und Politologen. Um Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn als Pilgerstätte für Neonazis, wie dies in der Vergangenheit öfter vorgekommen ist, unattraktiv zu machen, entschied die Kommission, das Bauwerk in der Salzburger Vorstadt 15 künftig als Polizeiinspektion, Bezirkspolizei-Kommando und polizeiliches Koordinationszentrum zu nutzen.

"In Zusammenarbeit mit der Fachkommission haben wir uns entschlossen, aus dem Geburtshaus eines Massenmörders ein neues Kapitel in der Geschichte der Zweiten Republik aufzuschlagen", sagte Innenminister Karl Nehammer im Rahmen der am Dienstag, kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. "Eine Polizeistation ist die geradezu geeignetste Nutzung, denn die Polizei ist die Hüterin der Freiheitsrechte und die Partnerin der Bürgerinnen und Bürger."

Eigentum des Innenministeriums

Nachdem sich die ehemalige Grundstückseigentümerin geweigert hatte, das Gebäude, das in der jüngeren Vergangenheit unter anderem als Schule und als Stützpunkt der Lebenshilfe Österreich genutzt wurde, baupolizeilich und brandschutztechnisch nachzurüsten, ging das Gebäude auf Basis des Enteignungsgesetzes 2017 ins Eigentum des Innenministeriums über. Die Enteignung wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform bestätigt. Die Entschädigungssumme beläuft sich auf rund 800.000 Euro.

2019 schließlich wurde ein EU-weiter Architekturwettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ausgeschrieben. Insgesamt 15 Büros wurden zur Ausarbeitung eines Entwurfs für Sanierung, Umbau und Neubau eingeladen. Zwölf Büros und Arbeitsgemeinschaften aus Österreich, Deutschland und der Schweiz nahmen teil. Das Projekt der Vorarlberger Architekten Marte Marte ging als Gewinner hervor. Nun wurde der siegreiche Entwurf im Innenministerium vorgestellt.

Zurück zum Ursprung

Der denkmalgeschützte Altbau, ein Biedermeierhaus aus dem 17. Jahrhundert, ein sogenanntes Seitenflurhaus, wurde im 18. Jahrhundert in ein Gasthaus umgebaut sowie in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten mehrfach überformt. Der Altbau soll in seinen ursprünglichen Zustand rückgeführt werden. Dazu werden die beiden ehemals entfernten Dachgiebel laut Plänen und historischen Zeichnungen in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt wieder rekonstruiert.

In der seitlich anschließenden Schmiedgasse, in der sich einst eine Brauerei befand, entstehen zwei Neubauten mit Büros, Verwaltung und Tiefgaragenabfahrt. Zwischen den drei Bauwerken, die bewusst die für Braunau typische Dachlandschaft aufnehmen, ergeben sich zwei begrünte Innenhöfe. Auf dem Dach der Tiefgarage, wo sich heute ein Kundenparkplatz für einen benachbarten Supermarkt befindet, soll ein hügeliger, naturnaher Park angelegt werden.

"Auf diese Weise", sagt Architekt Stefan Marte, "sollen Plätze für größere Menschenansammlungen, die den Ort womöglich bewusst aufsuchen, vermieden werden. Ganz allgemein aber haben wir uns bei diesem Entwurf nicht so sehr darauf fokussiert, die Außenerscheinung aus dem Jahr 1938 wieder rückgängig zu machen – als vielmehr darauf, das für Braunau typische, an historischen Details reiche Gebäude wieder in seine ursprüngliche Schönheit aus dem 17. Jahrhundert rückzubauen." Die Baukosten für Sanierung, Umbau und Neubau belaufen sich auf rund fünf Millionen Euro. Ende 2023, so der Plan, soll das Projekt abgeschlossen werden.

Wenig Transparenz

Ungewöhnlich an diesem offenkundig sachlich und professionell vorbereiteten und abgewickelten Wettbewerb ist die wenig transparente Kommunikationspolitik des Innenministeriums. Wie dies bei öffentlichen Wettbewerben vorgeschrieben ist, sind die Wettbewerbsprojekte im Bezirksmuseum Braunau für die Öffentlichkeit einsehbar – allerdings nur bis einschließlich Freitag, täglich von 13.30 Uhr bis 17 Uhr, ganze zehneinhalb Stunden also noch. (Wojciech Czaja, 2.6.2020)