Ein Riese unter den Gehäuseschnecken: Das Gehäuse der Weinbergschnecke wird bis zu fünf Zentimeter groß.

Foto: APA / Naturschutzbund / Robert Patzner

Die Weinbergschnecke überwintert an einer geschützten Stelle, aus der sie wieder auftaucht, wenn die Temperaturen im Frühjahr über acht Grad steigen und die Feuchtigkeit hoch genug ist. Anzutreffen ist sie dann nicht nur in den namensgebenden Weingärten, sondern auch in lichten Wäldern, Gebüschen und nicht allzu intensiv genutztem Kulturland. Sie hat es gern warm und nicht zu trocken.

Als Gehäuseschnecke weist sie einen buchstäblich verdrehten Körperbau auf: Ihre inneren Organe liegen in einem sogenannten Eingeweidesack, der innen am Gehäuse festgewachsen ist und dessen Windungen mitmacht. Ausstülp- und einziehbar sind hingegen der Kopf und die Kriechsohle, auch Fuß genannt. Mithilfe des Letzteren bewältigt sie etwas mehr als vier Meter in der Stunde.

Der gesamte sichtbare Teil der Körperoberfläche ist mit Schleim überzogen. Dieser schützt den Fuß vor Verletzungen beim Kriechen: Weinbergschnecken können selbst Rasierklingen unbeschadet überwinden. Außerdem dient er auch zur Abwehr kleiner Feinde, wie z. B. Ameisen. Dabei sondert die Schnecke große Mengen an Schleim ab, den sie durch ausgestoßene Luft aufschäumt.

Keine Schädlinge

Im Unterschied zu manchen anderen Schneckenarten sind Weinbergschnecken keine nennenswerten Gartenschädlinge. Mit ihrer Raspelzunge oder Radula, die über und über mit winzigen Zähnchen aus Chitin besetzt ist, schaben sie frische ebenso wie weniger frische Blätter ab. Sie haben aber keine besonderen Nahrungsvorlieben: "Die Weinbergschnecke nimmt, was in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet vorkommt", sagt Robert Patzner vom Salzburger Haus der Natur.

Einige Wochen nach der Winterruhe beginnt für die Schnecken die Paarungszeit. Die Tiere sind echte Zwitter, besitzen also vollständig ausgeprägte Genitalien beider Geschlechter. Stoßen zwei paarungsbereite Exemplare aufeinander, richten sie sich gemeinsam mit aneinandergelegten Kriechsohlen auf und wiegen sich bis zu 20 Stunden lang hin und her, während sie einander mit den Fühlern betasten. Außerdem stechen die Partner einander einen zentimeterlangen Kalkpfeil in den Körper, der mit einem stimulierenden Sekret bedeckt ist und als "Liebespfeil" bezeichnet wird.

Samenpaket übergeben

Bei der Paarung selbst wird mit dem Penis ein fadenförmiges, mehrere Zentimeter langes Samenpaket in die Vagina des Gegenübers übergeben. Das darin enthaltene Sperma wird in einer speziellen Körpertasche gespeichert; die eigentliche Befruchtung erfolgt erst bei der Eiablage.

Da sich Weinbergschnecken mit mehreren Partnern paaren können, kann ein Gelege oft mehrere "Väter" haben. Etwa vier bis sechs Wochen nach der Paarung graben die Schnecken in lockeren Boden eine kleine Höhle, in die sie 40 bis 60 Eier legen.

Wochen in der Bruthöhle

Etwa 25 Tage später schlüpfen die winzigen Jungschnecken. In der ersten Woche bleiben sie noch in der Bruthöhle und ernähren sich von den Überresten ihrer Eihüllen, abgestorbenen Geschwistern und manchmal auch noch lebenden, schwächeren Geschwistern. Danach arbeiten sie sich ins Freie, wo sie versuchen, so rasch wie möglich Pflanzenstängel zu erklimmen, um Bodenfeinden zu entgehen.

Trotz allem erreichen nur rund fünf Prozent der Jungschnecken das geschlechtsreife Alter, werden also älter als zwei Jahre. Im Freiland erreichen sie ein Alter von bis zu zehn Jahren, in Gefangenschaft bei optimalen Bedingungen können es sogar mehrere Jahrzehnte sein.

Vor Frost schützen

Um sich vor Frost zu schützen, suchen die Weinbergschnecken im Winter geschützte Plätze auf und bilden einen speziellen Kalkdeckel, mit dem sie ihre Schalenmündung verschließen. Gleichzeitig fahren sie ihren Stoffwechsel herunter: Ihr Herzschlag reduziert sich von 36 Schlägen pro Minute auf drei bis vier, und auch der Sauerstoffverbrauch sinkt auf rund zwei Prozent des aktiven Wertes.

Doch nicht nur im Winter fallen die Schnecken in eine vorübergehende Starre: In Zeiten großer Hitze und Trockenheit verfahren sie ganz ähnlich, nur dass sie ihre Schalenmündung dabei mit einem Deckel aus gehärtetem Schleim verschließen.

Schwermetalle abbauen

Wie Forscher um Reinhard Dallinger von der Universität Innsbruck vor rund zehn Jahren herausgefunden haben, verfügen die Tiere außerdem über ein spezielles Gen, das es ihnen erlaubt, toxische Schwermetalle – allen voran Cadmium – spezifisch zu entgiften. Neue Untersuchungen der Innsbrucker Forscher haben kürzlich ergeben, dass diese Fähigkeit schon sehr früh – vor rund 430 Millionen Jahren – entstanden sein dürfte.

Cadmium wurde im Lauf der Erdgeschichte durch jahrhunderte- oder gar jahrtausendelange supervulkanische Eruptionen immer wieder in die Biosphäre abgegeben. "Das hochtoxische Metall neutralisieren zu können war für Schnecken und ihre Vorfahren offenbar besonders wichtig, weil sie aufgrund ihrer kriechenden Fortbewegungsweise Schwermetalle nicht nur über die Nahrung, sondern auch über den Fuß aufnehmen können", erklärt Dallinger.

Gegen eine andere Substanz ist jedoch auch die Weinbergschnecke machtlos: "Die größte Gefahr für die Weinbergschnecke geht heute von Schneckenkorn aus", erzählt Robert Patzner, einem Gift, das häufig gegen andere Schneckenarten eingesetzt wird, aber auch sie nicht verschont. Der Mensch hat das Tier fast ausgerottet, dass es unter Naturschutz gestellt werden musste. Jene Exemplare, die mit Kräuterbutter angeboten werden, stammen aus Zuchtanstalten. (Susanne Strnadl, 5.6.2020)