Slowakinnen und Slowaken, die trotz aller Schwierigkeiten aus Österreich in die Heimat zurückwollen, lassen sich beim Grenzübergang Berg registrieren.

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Es ist eine kleine, aber vielsagende Lockerung im strengen slowakischen Grenzregime: Seit Dienstag dürfen Reisende aus Tschechien und Ungarn auch dann für maximal 48 Stunden ohne Corona-Test und Zwangsquarantäne in die Slowakei einreisen, wenn sie in den genannten Ländern keinen offiziellen Wohnsitz haben. Allerdings müssen sie den gewöhnlichen Aufenthalt dort mit "mindestens zwei vertrauenswürdigen Dokumenten" belegen, wie es auf der Corona-Website der slowakischen Regierung heißt. Penibel wird auch gleich aufgelistet, was das alles sein kann – etwa ein Arbeitsvertrag, eine Versicherungspolizze, Zahlungsbestätigungen, ein Konto bei einer Bank.

Vermeintliche Erleichterungen im Grenzverkehr bedeuten also nicht unbedingt weniger Bürokratie. Diese Erfahrung haben in den vergangenen Wochen viele Menschen in Europa gemacht. In der Slowakei, wo besonders drastische Maßnahmen eingeführt wurden, kommt das aber umso stärker zum Tragen. Die eingangs beschriebene Neuerung etwa betrifft vor allem Slowakinnen und Slowaken, die in Tschechien oder Ungarn einen Job haben und zwischendurch mal schnell nach Hause wollen. Die Mehrzahl jener, die in Österreich arbeiten, muss sich beim Planen eines Verwandtenbesuchs noch gedulden.

"Im Ausland hängengeblieben"

"Nehmen Sie etwa Männer, die in Wien auf Montage sind", sagt Denisa Tadic, eine Krankenschwester aus der Slowakei. Sie lebt seit 18 Jahren in Österreich und steht mit einigen ihrer oftmals pendelnden Landsleute in Kontakt. "Die machen zum Beispiel eine Hausfassade fertig oder bauen bei einer Firma Fenster ein. Nach zwei oder drei Wochen, wenn der Auftrag erledigt ist, fahren sie wieder nach Hause. Das ist in der EU doch die normale Arbeitsmobilität", so Tadic im Gespräch mit dem STANDARD. Nun aber seien manche "im Ausland hängengeblieben".

Vor einer Einreise in die Slowakei scheuen viele nämlich wegen der harten Quarantänebestimmungen zurück. Mit wenigen Ausnahmen muss sich jeder, der das Land betritt, in eines der staatlichen Quarantänezentren begeben und sich dort einem Corona-Test unterziehen. Nur wenn dieser negativ ausfällt, darf man nach Hause – um dort den Rest einer insgesamt zweiwöchigen Frist in Heimisolation zu verbringen, die dann auch gleich für alle anderen Personen im Haushalt gilt.

Dabei kann aber bereits der Aufenthalt im Quarantänezentrum selbst – meist handelt es sich um umfunktionierte Internate, Studentenheime oder Pensionen – durchaus länger als 14 Tage dauern. "Oft leben dort Menschen zusammen, die in verschiedenen Ländern gearbeitet und sich nie zuvor getroffen haben", erzählt Denisa Tadic. Wenn jemand positiv getestet wird, dann verlängert sich die staatliche Quarantäne auch für die anderen, die mit dieser Person Kontakt hatten.

Angst vor Jobverlust

Tatsächlich gibt es immer wieder Berichte über Ansteckungen in den Quarantänezentren. Was die Aufenthaltsdauer betrifft, so gilt ein Mann, der ziemlich am Anfang der Corona-Krise aus Tirol nach Hause gefahren war, als Rekordhalter: Er wurde nach seiner Ankunft in der Slowakei in einem Sechsbettzimmer untergebracht und soll es auf 59 Tage "Staatsquarantäne" gebracht haben. Viele gehen dieses Risiko lieber nicht ein und verzichten ganz auf Besuche in der Heimat. Manche haben deshalb seit Wochen ihre Kinder nicht gesehen. "Quarantäne könnte für sie bedeuten, dass sie nicht rechtzeitig zurückkommen und ihren Job verlieren", erklärt Denisa Tadic.

Seit Ende voriger Woche bietet eine Überwachungs-App immerhin die Möglichkeit, die Quarantäne von Anfang an in Heimisolation abzusitzen. Auch darüber gibt die Corona-Seite der erst im März angelobten Regierung von Premier Igor Matovič Auskunft: Benötigt werde etwa "ein Smartphone mit Kamera und Positionierungssystem", ausreichender Akku-Ladung ("empfohlen 100 Prozent") und "Nonstop-WLAN-Verbindung". Ein Corona-Test sowie Heimquarantäne für alle anderen Personen im Haushalt sind ebenfalls Pflicht.

Nicht nur Denisa Tadic hat ihre regelmäßigen Verwandtenbesuche vorerst gestrichen. Kritik von im Ausland lebenden Landsleuten wies Premier Matovič allerdings erst im Mai mit gewohnt deftigen Worten zurück und verwies auf die niedrigen Infektionszahlen im Land: "Machen wir uns das wegen der Hunde, die hinter dem Zaun heulen, nicht kaputt."

Grenzentscheidungen getroffen

Öffnen werden sich die Zäune in Europa jetzt nach und nach. Deutschland beschloss am Mittwoch grundsätzlich, die weltweite Reisewarnung ab dem 15. Juni für die Mitgliedsstaaten der EU, Großbritannien, die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein aufzuheben und durch Reisehinweise zu ersetzen. Voraussetzung sei, dass es keine Einreiseverbote und großflächigen Ausgangssperren mehr gebe. Von Reisen nach Großbritannien rät die deutsche Bundesregierung wegen der dort geltenden 14-tägigen Quarantäne aber dringend ab.

Das deutsche Auswärtige Amt hält die Reisewarnung für Staaten außerhalb Europas vorerst aufrecht. Die Bundesregierung werde abwarten, ob die EU-Kommission in dieser Woche die Einreisebeschränkung nach Europa verlängere, sagte Außenminister Heiko Maas am Mittwoch in Berlin.

Nach rund drei Monaten mit strengen Corona-Beschränkungen sind auch Italiens Grenzen seit Mittwoch wieder für Urlauber geöffnet. Die neue Reisefreiheit gilt für Menschen aus den anderen 26 EU-Ländern sowie weiteren Staaten wie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz. Eine Virus-Quarantäne von zwei Wochen entfällt damit. Außerdem dürfen die Italiener selbst wieder unbeschränkt zwischen den 20 Regionen hin- und herfahren.

Zurückhaltung in Österreich bröckelt

Österreich ist umgekehrt bisher noch sehr zurückhaltend mit seinen Grenzen zu Italien. Zwar will die Bundesregierung wieder vollständige Reisefreiheit zu den Nachbarländern herstellen. Die Ausnahme ist allerdings Italien, wie am Mittwoch nach einem runden Tisch bekanntgegeben wurde. Ab dem morgigen Donnerstag werden die Grenz- und Gesundheitskontrollen gegenüber Deutschland, Liechtenstein, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn eingestellt, teilte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Mittwoch mit.

Für diese Länder gelte die Vor-Corona-Situation – es gebe keine Quarantäne oder Test-Erfordernisse bei der Einreise nach Österreich. Zu Italien bleiben die Beschränkungen bestehen, nächste Woche soll die nächste Evaluierung erfolgen. Ziel sei eine "Öffnung zu Italien, sobald die Zahlen es zulassen". (Gerald Schubert, red, 3.6.2020)