Noch haben Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni (links) und die Finanzminister Gernot Blümel und Olaf Scholz gut lachen: Die Milliardenschlacht um den EU-Budgetrahmen bis 2027 und den Wiederaufbauplan geht erst richtig los.

Foto: EPA

Gelingt es der Kommission, bis Anfang Juli mit den Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten eine Einigung beim EU-Budgetrahmenplan bis 2027 samt dem eingebetteten Wiederaufbauplan zu erzielen? Es geht um 1.100 plus 750 Milliarden Euro. Oder scheitert dieses Vorhaben an "sparsamen vier" Nettozahlerländern mit Österreich, was zur Folge hätte, dass Hilfen zur Bewältigung der Corona-Krise nicht wie geplant ab 1. Jänner nächsten Jahres fließen können? EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn hatte vorgerechnet, dass der Zeitplan ohne Kompromiss bis Juli praktisch nicht zu halten wäre.

Ton verschärft

Als einer der größten Unsicherheitsfaktoren in Brüssel gilt Österreich, ein kleines Land, das sich seit dem EU-Beitritt 1995 in Sachen EU-Budget eher unauffällig verhalten hat. Hatte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz im Kreis seiner Kollegen aus den Niederlanden, Dänemark und Schweden als Budgetbeitragsbremser präsentiert, signalisierte er zwar Bereitschaft zu einem "Kompromiss". Aber sein Finanzminister Gernot Blümel verschärfte zuletzt den Ton.

Er sagte im Mittagsjournal des ORF-Radios zu den Vorschlägen der Kommission: "Diesem Paket wird Österreich nicht zustimmen. Warum? Weil die Belastungen für den österreichischen Steuerzahler zu groß sind." Er zeigte sich für "Nachverhandlungen" über Österreichs EU-Beitrag offen, um aber sofort nachzuschieben, dass die Pläne zu Budgetrahmen und Wiederaufbau zusammengenommen "fast zwei Prozent der Wirtschaftsleistung als Beitrag bedeuten, fast doppelt so viel wie in der Vergangenheit, und das ist für uns inakzeptabel".

Stirnrunzeln in Brüssel

Diese Aussagen sorgen in Brüssel für Stirnrunzeln. Dort hat man Verständnis dafür, dass Mitgliedsstaaten tarnen und täuschen, um sich Vorteile zu verschaffen. Aber Blümels Behauptungen waren derart, dass sie unrichtig sein werden, was immer man aushandelt: Eine Verdoppelung des EU-Beitrags ist mathematisch unmöglich.

Das geht so. Österreich ist ein kleiner feiner Nettozahler ins EU-Budget. 2018 etwa zahlte Wien netto besonders viel ein (was technische Gründe hat). Man überwies brutto 3,3 Milliarden Euro, von denen knapp zwei Milliarden in Form von EU-Subventionen wieder zurückflossen. Der Nettobeitrag machte also 1,34 Milliarden aus, etwas mehr als 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung (BNE), im EU-Vergleich hoch.

Die Bruttobeiträge der Staaten liegen bei 0,9 Prozent, den Rest des EU-Budgets auf knapp ein Prozent BNE wird durch EU-Eigenmittel aufgebracht. Im EU-Budgetrahmen 2021 bis 2027, auf den man sich Ende Februar (vor der Corona-Krise) nicht einigen konnte, würde der Beitrag Österreichs durch den EU-Austritt Großbritanniens, eines großen Nettozahlers, zwar um einige hundert Millionen Euro erhöht. Mit einer von der Kommission in Aussicht gestellten Verlängerung des Beitragsrabatts wäre das aber weit von der von Blümel an die Wand gemalten "Verdoppelung" der Beiträge.

750 Milliarden

Bliebe die Möglichkeit, dass der Wiederaufbauplan, auf den der Minister verwies, Österreichs Steuerzahler so viel Geld kostet, sich in der Laufzeit der Mittelvergabe von 2021 bis 2024 voll auf das Budget und Österreichs EU-Beiträge durchschlägt. Die Kommission schlägt vor, dass die EU als Institution die gesamte Summe von 750 Milliarden Euro, die an alle 27 Mitgliedsstaaten verteilt wird, über Anleihen finanziert. Sie will Anleihen begeben, bekommt Geld wegen ihres Superratings auf den Finanzmärkten zu besten Konditionen, weil alle Staaten als Garanten auftreten. Die Garantien sind nicht unbegrenzt, orientieren sich an den Budgetanteilen. Österreich müsste für rund 15 Milliarden garantieren, bekommt aber vier Milliarden gleich ausbezahlt. Ob die Hilfen als nichtrückzahlbare Zuschüsse oder Kredite vergeben werden, ist egal.

Denn die EU plant die Tilgung ihrer Kredite ab 2028 über einen Zeitraum von 30 Jahren bis 2058. Das Geld für die Tilgung soll dann auch nicht über Beiträge der Mitgliedsstaaten laufen, sondern über nachhaltige Abgaben – EU-Steuern. Es geht um Abgaben von globalen Großkonzernen, die vom Binnenmarkt profitieren, um Plastik- und Klimaabgaben, die von "Verschmutzern" bezahlt werden sollen. Fazit: Österreich könnte sogar mit Profit aussteigen. (Thomas Mayer, 3.6.2020)