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Der 492 Meter durchmessende Asteroid (101955) Bennu
ist eigentlich ein loser von der Schwerkraft zusammengehaltener Schutthaufen.
Foto: AP/NASA/Goddard/University of Arizona

Die beiden erdnahen Asteroiden Bennu und Ryugu haben Formen, die auf den ersten Blick an geschliffene Diamanten erinnern. Wie sie zu ihrem merkwürdigen Aussehen kamen, darüber haben Wissenschafter lange gerätselt. Nun konnten Simulationen von Kollisionen das Mysterium um die Entstehung der beiden großen Brocken im All lösen. Die Ergebnisse könnten auch dabei helfen, die Vorgänge während der Entstehung der Erde besser zu verstehen.

Vor gut viereinhalb Milliarden Jahren, kurz nach der Geburt unseres Sonnensystems, existierte die Erde noch nicht. Damals war sie – ebenso wie auch die übrigen Planeten – noch Staub in der so genannten protoplanetaren Scheibe. Über Jahrtausende hinweg klumpte sich die Staubkörnchen langsam zusammen und bildete immer größere Objekte. Diese kollidierten oft heftig miteinander, manchmal zerschmetterten sie sich gegenseitig.

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Asteroid (162173) Ryugu hat einen mittleren Durchmesser von rund 900 Metern.
Foto: AP/JAXA

Kratervernarbte erdnahe Asteroiden

Mit der Zeit jedoch bildeten sich daraus planetarische Bausteine und schließlich unser Heimatplanet und seine Nachbarn. Noch heute zeugen Krater auf der Oberfläche von Himmelskörpern von diesen Zusammenstößen. Dies gilt auch für die beiden Asteroiden Bennu und Ryugu, wie Aufnahmen von der Raumsonde Hayabusa2 der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) und der OSIRIS-REx-Mission der Nasa zeigen. Die beiden Asteroiden waren jedoch möglicherweise nicht nur von Kollisionen vernarbt, sondern sind sogar durch solche entstanden, wie eine nun im Fachjournal "Nature Communications" erschienene Studie darlegt.

Die jüngsten Untersuchungen haben nicht nur gezeigt, dass beide Asteroiden in ihrer Form Diamanten ähneln, sondern auch, dass es sich weniger um Einzelobjekte handelt, sondern eher um Aggregate von Felsen, die durch die Schwerkraft zusammengehalten werden. Außerdem dürften beide Himmelskörper vom Typ der kohlenstoffhaltigen Asteroiden sein, was bedeutet, dass ihre Zusammensetzung große Mengen an Kohlenstoff enthält. Diese Ähnlichkeiten veranlassten die Forscher zu der Annahme, dass Bennu und Ryugu von größeren Asteroiden abstammen, vielleicht sogar vom selben Objekt. Dennoch zeigten weitere Beobachtungen, dass die beiden Asteroiden auch Unterschiede aufweisen. Am bemerkenswertesten sind die unterschiedlichen Hydratationswerte: Ryugu ist deutlich trockener als Bennu.

Bennu aus der Nähe.
Foto: NASA/Goddard/University of Arizona

Kollisionen im Computer

Wenn die beiden Asteroiden tatsächlich vom selben Objekt stammen, wie könnten dann die unterschiedlichen Hydratationsniveaus erklärt werden, wenn man ihre ausgeprägte Diamantenformen in Betracht zieht? Eine Lösung für dieses Problem lieferte Martin Jutzi von der Universität Bern, dessen Spezialgebiet 3D-Simulationen von Kollisionen sind. Damit hat Jutzi in der Vergangenheit unter anderem auch nachgewiesen, dass der Komet Churyumov-Gerasimenko viel jünger ist als angenommen. "Für die aktuelle Studie habe ich die Kollisionen eines potenziellen Mutter-Asteroiden mit anderen Objekten modelliert und berechnet, wie sich dies auf die Dichte der Fragmente auswirken könnte", sagt Jutzi. Mit Hilfe seiner Berechnungen konnte das Team schließlich zeigen, dass sich die Kollisionsfragmente wieder zusammensetzen und so die Diamantenform bilden können.

Frühere Studien hatten angedeutet, dass die Form auf einen thermischen Effekt zurückzuführen ist, der die Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden beschleunigt und zu einer äquatorwärts gerichteten Verschiebung des Materials führt. Da dieser Effekt jedoch eine lange Zeit benötigt, um die Diamantenform zu erzeugen, wäre es schwierig gewesen, ihn mit den sehr alten Kratern in Einklang zu bringen, die darauf hindeuten, dass die Form schon früh in der Geschichte der Asteroiden entstanden ist. "Wir konnten die These, dass die Form auf thermische Effekte zurückzuführen ist, nun also dank unserer Simulationen widerlegen", so Jutzi.

Der Schatten der japanischen Sonde Hayabusa2 fällt auf die Oberfläche von Ryugu.
Foto: APA/AFP/JAXA

Feuchtigkeitsunterschiede

Jutzi und seine Kollegen zeigten auch, dass die Fragmente durch die Kollisionen unterschiedlich stark erhitzt werden. "Wir haben die Modelle zur Berechnung des verursachten Temperaturanstiegs verbessert", erklärt der Physiker. Diese Erwärmung treibt die Verdampfung und den Verlust von Wasser in den Mineralien der Asteroiden an. Die unterschiedliche Erwärmung könnte somit die Unterschiede beim Wasserverlust und den daraus resultierenden Hydratationswerten erklären.

Materialproben aus den beiden Asteroiden-Missionen Hayabusa2 und OSIRIS-REx werden es den Forschern ermöglichen, ihre Ergebnisse zu verifizieren. Die JAXA-Mission befindet sich derzeit auf dem Rückweg zur Erde. Wenn alles wie geplant verläuft, wird sie ihre Proben von Ryugu bis Ende des Jahres liefern. Die Nasa-Sonde wird versuchen, ihre Proben von Bennu im Herbst zu sammeln und dürfte sie in etwas mehr als drei Jahren zur Erde zurückbringen. Die Wissenschafter hoffen, dass die Proben ihnen helfen werden, Ursprung, Entstehung und Entwicklung nicht nur von Ryugu und Bennu besser zu verstehen. "Indem wir diese Objekte betrachten, können wir idealerweise auch unser Verständnis dafür verbessern, wie die planetarischen Bausteine entstanden sind, die schließlich die Erde geformt haben", sagt Jutzi. (red, 3.6.2020)