Im Gastkommentar fordert Eduard Strauss, Jurist und Verfahrensrichter im BVT-Untersuchungsausschuss, eine Ethikkommission für die Politik.

"Es ist schon wieder was passiert …" Und es gibt deshalb schon wieder einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, diesmal über den Ibiza-Skandal und dessen Folgen. Das ist gut so, denn ein Untersuchungsausschuss stellt ein wichtiges Instrument parlamentarischer Kontrolle dar. Gegenstand der Untersuchung ist nach der Bundesverfassung ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes.

Am Donnerstag startet der Ibiza-U-Ausschuss mit Verfahrensrichterin Ilse Huber, Ausschussvorsitzendem Wolfgang Sobotka und Verfahrensanwalt Andreas Joklik.
Foto: APA / Roland Schlager

Zum Ende des Ibiza-Untersuchungsausschusses wird die Verfahrensrichterin den Entwurf zum Ausschussbericht faktenbasiert und möglichst objektiv abfassen und Empfehlungen abgeben. So habe auch ich es als Verfahrensrichter im Entwurf für den Bericht des BVT-Untersuchungsausschusses, der die Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geprüft hat, im September 2019 getan. Damals drängte sich mir ein grundsätzliches und generelles Thema auf, das jetzt nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos noch dringlicher ist: Österreich braucht sanktionsbewehrte Richtlinien in der Frage der Ethik politisch Handelnder.

Politisches Gewicht

Wie könnten solche Richtlinien aussehen? Hier ein Diskussionsvorschlag: Ich plädiere dafür, eine Ethikkommission und einen Ethikrat mit Sitz im Parlament einzurichten, die für im Parlament politisch Tätige zuständig sind. Um dieser Kommission politisches Gewicht zu verleihen, sollte der Bundespräsident oder eine von ihm ernannte unabhängige Persönlichkeit den Vorsitz übernehmen. Dazu je ein/e Vertreter/in der im Parlament vertretenen politischen Parteien und ebenso viele politisch unabhängige Ethikerinnen und Ethiker.

Die erste, dringendeste Aufgabe der Kommission wäre die Ausarbeitung eines Ethikkodexes für politisch Handelnde sowie eine Verfahrensordnung. Als Muster für einen Ehrenkodex könnte etwa die Welser Erklärung der Richtervereinigung dienen. In dieser steht zum Beispiel, "Einladungen oder Geschenke, die den Anschein erwecken, Abhängigkeiten zu schaffen, nehmen wir nicht an" sowie "Interventionsversuche legen wir offen". In einem nächsten Schritt sollte nach der Ethikkommission der Ethikrat eingerichtet werden. Dieser darf von Abgeordneten und auch Ministerinnen und Ministern in Sachen ethische Fragen angerufen werden. Das sind Fragen bezüglich eines Verhaltens, die zwar nicht strafrechtlich relevant, aber ethisch zu verurteilen sind. Der Ethikrat fasst seine Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit. Der/die Vorsitzende stimmt mit.

Er wird nur ad hoc bei Anfragen (auch durch U-Ausschüsse) und Aufträgen einberufen. Er darf Personen vernehmen (auch in "kleinerer Besetzung") und auch Sachverständige beiziehen. Um nicht zahnlos zu sein, müsste dieser Ethikrat neben Empfehlungen auch rechtsstaatlich abgesichert Sanktionen verhängen dürfen: vom Vorschlag eines Ordnungsrufs bis hin zu Gehaltskürzungen der Abgeordneten und politisch Tätiger.

Positiver Beitrag

Mehr Ethik in der Politik und spürbare Konsequenzen für unethisches Handeln politisch Tätiger würde das Image von Politikerinnen und Politikern im Land heben. Und schließlich jenen besonders helfen, die in die Politik gegangen sind, um einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Deshalb hoffe ich, dass sich im Ibiza-Untersuchungsausschuss Ergebnisse und Synergien zum Thema Ethik in der Politik finden lassen werden.

Kommt mehr Ethik in die Politik, wird weniger passieren und wir brauchen keine Untersuchungsausschüsse mehr. (Eduard Strauss, 4.6.2020)