Israels Premier Benjamin Netanjahu wiegelt ab: alles Fake-News.

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Alles Fake-News, sagt Benjamin Netanjahu. Der israelische Premier tut Medienberichte über Polizisten, die nach Belieben Privatwohnungen stürmen können, um Quarantänesünder zu ahnden, als Horrorgeschichten ab. Genau das sah der Gesetzesentwurf aber vor, und der hatte für einige Kritik gesorgt: Mitglieder der Opposition schlugen Alarm und warnten, das neue Anti-Corona-Memorandum der Regierung sei gefährlicher als die Corona-Pandemie selbst.

Netanjahu winkt ab: Man habe schon bisher stets das Recht auf Privatsphäre gewahrt und werde dies auch weiterhin tun, verspricht er. Zugleich bemühte sich sein Koalitionspartner Blau-Weiß um Schadensbegrenzung im eigenen politischen Lager: Das neue Notstands-Rahmengesetz schieße übers Ziel hinaus, gab Justizminister Avi Nissenkorn zu, man werde es noch entschärfen. Warum man es dann überhaupt mitbeschlossen hätte, erfährt man nicht.

An dem Umstand, dass sich die Regierung mit dem Rahmengesetz eine Art Blankogenehmigung fürs Erlassen von Notfallverordnungen gibt und damit de facto Parlament und Höchstgericht umgeht, ändert das nichts.

Disput über das Grundgesetz

Eigentlich sieht das israelische Grundgesetz vor, dass eine Regierung nicht einfach nach Gutdünken Notstandsregeln erlassen darf. Nach drei Monaten muss das Parlament über die Notstandsverordnungen abstimmen können. Genau das versucht die Regierung zu umgehen. Das Rahmengesetz gibt Netanjahus Kabinett de facto die Möglichkeit, weitere zehn Monate lang den Notstand zu proben, ohne dass Parlament und Höchstgericht mitreden können.

Nach der Kritik kündigte Nissenkorn an, man werde die Frist auf fünf Monate verkürzen und ein Parlamentsveto vorsehen. Grundrechtsexperten kritisieren aber, dass der Entwurf schwammig sei. Er definiert etwa nicht die Kriterien für Ausgangssperren. Bereits im März hatte die Regierung hart durchgegriffen: Israelis durften ihre Häuser nur im Umkreis von 100 Metern verlassen. Solche Sperren könnten verlängert werden, befürchten Kritiker wie Mordechai Kremnitzer vom Israel Democracy Institute.

Anstieg der Infektionszahlen

Auch sah der Entwurf vor, dass die Polizei nach Belieben Versammlungen auflösen kann. Zuletzt konnten Demos – zumeist von Regierungsgegnern – trotz Lockdowns weiterhin stattfinden, sofern die Teilnehmer das Zwei-Meter-Abstand-Gebot einhielten. Am Donnerstag endet die Begutachtungsfrist für den Entwurf, nächste Woche soll das Gesetz beschlossen werden.

Ein besorgniserregender Anstieg der Infektionszahlen gibt indes der Regierung Rückenwind: Am Freitag gab es 115 neue bestätigte Covid-19-Fälle – und das, nachdem das Land mehrere Wochen lang bei 20 bis 30 täglichen Neuinfektionen gestanden ist. Eine Häufung gibt es an Schulen, mehrere Städte schlossen deshalb ihre Bildungseinrichtungen.

Der neue Trend befeuert Ängste vor einer zweiten Welle. Massen-Antikörpertestungen ergaben, dass Israel von einer Herdenimmunität weit entfernt ist. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 3.6.2020)