Der Donaukanal ist auch abseits der Lokale als Erholungsraum beliebt. Mit Einsetzen der Abendsonne drängt es sich an warmen Tagen entlang der Kaimauer.

Foto: Andy Urban

Es ist schon ein schräges Bild, das sich am Wiener Donaukanal beobachten lässt. Da bemühen sich die Lokale, dass Kunden bei Bestellungen an der Theke Abstand halten. Pro Tisch sind bis Mitte Juni nur vier Sessel erlaubt. Und die Kellner und Abservierer tragen wie vorgesehen Mund-Nasen-Schutz oder Visiere.

Nur ein paar Meter von den Gastro-Betrieben entfernt, entlang der Kaimauer im zweiten Bezirk, kennen die Besucher des beliebten innerstädtischen Freizeitareals die Corona-Abstandsregeln ebenso. Mit Einsetzen der Abendsonne und dem Anschwellen der Zischgeräusche beim Öffnen der mitgebrachten Bierdosen wird es aber immer enger. Die Abstände verringern sich stündlich fast exponentiell – nicht bei allen, aber bei vielen. Und jene, die erst jetzt kommen, finden immer noch irgendwo ein Platzerl. Für flotten Getränkenachschub sorgen die bekannten fliegenden Verkäufer auf ihren Rädern, die meisten davon eher ohne Gewerbeberechtigung. Die Durstigen sind erfreut, die Gastronomen weniger.

Eine Szene vom vorletzten Wochenende am Donaukanal: Die Stimmung gelöst, der Abstand dahin
DER STANDARD

Der spannungsgeladene Mix aus stetiger Kommerzialisierung und Laisser-faire-Prinzip in unmittelbarer Nachbarschaft macht die steigende Attraktivität des Donaukanals aus. Als die Lokale wegen der Coronavirus-Krise noch geschlossen waren, gab es hier – bei deutlich höherer Abstandsdisziplin – spontane Treffen, Drinks und Musikboxen wurden selbst mitgebracht. Aber auch nach der Gastro-Öffnung bleiben bei schönem Wetter Kai-Mauer und Grünflächen nächtens gut besucht.

Der mitunter daherwabernde olfaktorische Hinweis auf dringend erledigte Notdurften macht aber auch ein Problem offensichtlich: Am Donaukanal gibt es für die an warmen Tagen und Nächten mittlerweile große Menge an Besuchern viel zu wenige (öffentliche) Toiletten. Zwar können auch jene der Lokale besucht werden, doch nicht bei allen ist man als Nichtgast gerne gesehen. Private Toilettenanbieter verlangen Gebühren. Ein Problem ist zudem der Mangel an Mistkübeln: Die wenigen vorhandenen quellen trotz teils kunstvoll aufgestapelter Dosen und Glasgebinde über. Dazu kommt die fehlende Selbstdisziplin bei manch Feierwütigen: Flaschen, die am Kanal nach Auseinanderdriften der Zusammenkunft einfach stehen bleiben, sind oft auf Flaschen zurückzuführen.

Unklarheit über Zwangsräumung der Adria

Am Kanal ist jedenfalls einiges los. Das betrifft auch die Gastro-Szene. Dem Gastronomen Gerold Ecker droht für Teile seines beliebten Lokals Adria Wien die Zwangsräumung. Grund ist ein seit Jahren laufender Rechtsstreit mit der Stadt sowie der DHK (Donauhochwasserschutz-Konkurrenz). Letztere setzt sich aus Vertretern von Bund, Wien und Niederösterreich zusammen und verwaltet den Donaukanal. Von der Zwangsräumung betroffen sind große Flächen rund um das markante Glashaus. Laut Stadt wurde das rechtskräftig entschieden.

Die Räumung stehe unmittelbar bevor, sagte Martin Jank, Geschäftsführer der Wiener Gewässer Management GmbH. Im Verfahren, das das Glashaus selbst und einige Terrassenflächen betrifft, sei die außerordentliche Revision von Ecker noch nicht abgeschlossen.

Ecker bestreitet hingegen auf Anfrage des STANDARD, dass eine baldige Zwangsräumung von Adria-Flächen bevor steht: "Dem ist nicht so." Er verweist auf einen Rekurs in Bezug auf die angeordnete Räumung, der gerichtlich zugelassen worden sei. "Das Exekutionsverfahren kennt auch Rechtsmittel. Ich verstehe nicht, dass Herr Jank das nicht akzeptiert."

Hintergrund ist, dass die Adria-Fläche nach einem kritischen Rechnungshofbericht gemeinsam mit fünf weiteren Gastro-Arealen am Donaukanal 2017 von der DHK neu ausgeschrieben wurde. Ecker, der als erfolgreicher Donaukanal-Pionier gilt und auch das Badeschiff betreibt, wehrte sich.

Nachfolgeprojekt rechnet mit baldigem Start

Nachfolgeprojekt wird "Taste" des Unternehmens Boxircus, das Frachtcontainer-Lösungen anbietet. Clemens Hromatka von Boxircus rechnet mit einer Räumung "Anfang Juni". Als Übergangslösung im Sommer soll es in Containern zunächst zwei Streetfood-Konzepte – italienisch und Teigtaschenbällchen – sowie eine Bar geben. Der Vollausbau erfolgt nach der Saison: Geplant ist ein fixer Bau, der aus mehreren Frachtcontainern besteht und eine ganzjährige Nutzung möglich macht. Das fertige Lokal inklusive Terrasse soll 380 Sitzplätze umfassen.

Warten auf den Sommergarten

Auf der Badeschiff-Vorkaifläche sollte heuer zudem "Fräulein’s fabelhafter Sommergarten" entstehen: Ein bayerischer Biergarten samt riesigem Griller, der auch von Besuchern benutzt werden kann. Hier musste Ecker als Vorpächter die Fläche Anfang des Jahres räumen. Nach Verzögerungen wegen fehlender Anschlüsse wird das Vorhaben von Stephanie Edtstadtler aber erst 2021 öffnen. Der Bau für das Lokal mit 300 Plätzen und teilweiser Ganzjahresnutzung startet diesen Herbst.

Temporär kommt für eine Sommersaison hier ebenfalls kurzfristig Boxircus mit zwei Gastro-Containern zum Zug. Bespielt werden diese von der Bar Krypt, den Burgermachern und Krokodü. Dazu gibt es einen konsumfreien Strand und einen Sportbereich für Outdoor-Spinning, Yoga und Crossfit. Eröffnet wird am Freitag oder – bei Schlechtwetter – am Samstag. (David Krutzler, 4.6.2020)