Arbeitnehmer in von Kurzarbeit betroffenen Unternehmen arbeiten weniger Stunden, und das AMS gleicht den Gehaltsverlust zum Großteil aus. Was einfach klingt, ist in der Praxis oft kompliziert.

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Die zahlreichen Unternehmen, die Covid-19-Kurzarbeit in Anspruch nehmen, werden bald entscheiden müssen, ob sie die Kurzarbeit über die ersten drei Monate hinaus verlängern. Seit 1. Juni ist eine überarbeitete Sozialpartnervereinbarung Grundlage der Kurzarbeit. Manches wurde vereinfacht und klargestellt. Details, die in der betrieblichen Praxis zu lösen sind, bleiben aber ungeregelt. Hier sind einige Beispiele:

Nettoersatzrate

Während der Kurzarbeit ist dem Arbeitnehmer, gestaffelt nach der Höhe des Bruttoentgelts, grundsätzlich zwischen 80 und 90 Prozent seines bisherigen Nettobezugs zu bezahlen (Nettoersatzrate). Das sind Mindestbeträge. In der Sozialpartnervereinbarung kann eine höhere Nettoersatzrate vereinbart werden.

Nicht gänzlich aus den Augen darf man dabei aber verlieren, dass das AMS nur Unternehmen Kurzarbeitsbeihilfe bewilligen kann, die sich in vorübergehenden, nicht saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Das ist vom Unternehmen plausibel darzulegen und sollte bei der Vereinbarung der Nettoersatzrate berücksichtigt werden.

Überstundenpauschale

In das förderbare Entgelt eines Arbeitnehmers in Kurzarbeit sind Überstundenpauschalen einzubeziehen, wenn sie nicht vom Arbeitgeber widerrufen werden können. Grundsätzlich sind Überstundenpauschalen nicht einseitig widerrufbar.

Widerrufsvorbehalte müssen mit dem Arbeitnehmer (in der Regel einzelvertraglich) vereinbart sein, sodass alle Überstundenpauschalen ohne eine solche Vereinbarung bei der Höhe der Kurzarbeitsbeihilfe zu berücksichtigen sind.

Urlaubsstorno

Ist in der Kurzarbeitszeit ein Urlaub vereinbart, steht dem Arbeitnehmer Urlaubsentgelt in ungekürzter Höhe zu, und es fallen keine förderbaren Ausfallstunden an. Wird die Urlaubsvereinbarung einvernehmlich aufgehoben, ist der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet, und es steht ihm nur das gekürzte Entgelt zu. Kann der Arbeitgeber aber auch Kurzarbeitsbeihilfe für Ausfallstunden beanspruchen?

Das hängt vom Grund des Urlaubsstornos ab. Hätte der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber aus einem wichtigen Grund die Urlaubsvereinbarung auch einseitig aufheben können, wird dem Arbeitgeber Kurzarbeitsbeihilfe zustehen. Wenn das Storno aber vereinbart wurde, um dem Arbeitgeber den Bezug der Kurzarbeitsbeihilfe zu ermöglichen, liegt ein Vertrag zulasten Dritter vor, aus dem der Arbeitgeber keine Ansprüche auf Kurzarbeitsbeihilfe gegenüber dem AMS ableiten kann.

Mehrarbeitszuschlag bei Erhöhung der Arbeitszeit

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die gekürzte Arbeitszeit erhöht werden. Steht für solche "Mehrstunden" aber ein Zuschlag zu? Kurzarbeit ist nicht mit Teilzeit gleichzusetzen. Daher sind auch Arbeitszeiten, die über die in der Sozialpartnervereinbarung vereinbarte reduzierte Arbeitszeit hin ausgehen, grundsätzlich zuschlagsfreie Arbeit in der Normalarbeitszeit.

Gehaltserhöhung

Wirkt sich eine Erhöhung des in der Sozialpartnervereinbarung reduzierten Entgelts eines Arbeitnehmers auf die Höhe der Kurzarbeitsbeihilfe aus? Das AMS gewährt die Kurzarbeitsbeihilfe auf Grundlage des Entgelts, das der Arbeitnehmer im letzten vollentlohnten Monat bezogen hat. Eine Erhöhung der Kurzarbeitsbeihilfe ist nicht vorgesehen.

Mindestarbeitszeit bei Quarantäne

Wird ein Arbeitnehmer nach dem Epidemiegesetz unter Quarantäne gestellt, gebührt keine Kurzarbeitsbeihilfe. Wie ist die Zeit der Quarantäne aber bei der Erfüllung der Mindestarbeitsverpflichtung zu berücksichtigen? Der geplante Arbeitsausfall während der Kurzarbeit darf im Durchschnitt nicht unter zehn Prozent der Normalarbeitszeit fallen.

Eine Unterschreitung im Zuge der Umsetzung aufgrund von Krankenständen oder Urlaub ist jedoch möglich und stellt keinen Rückforderungstatbestand dar. Gleiches wird gelten, wenn ein Arbeitnehmer in Quarantäne nicht arbeiten kann.

Pensionskassenbeiträge

Wie sich die Kurzarbeit auf Beitragszahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse auswirkt, ist vor allem aus der der Pensionszusage zugrundeliegenden Vereinbarung (z._B. eine Betriebsvereinbarung) zu ermitteln. Sollte sich ergeben, dass die Grundlagenvereinbarung den Fall der Kurzarbeit nicht regelt, ist die Lücke durch Auslegung zu schließen.

Dabei ist relevant, dass Kurzarbeit nicht mit Teilzeit gleichzusetzen ist. Ob eine Beitragskürzung entsprechend der Entgeltreduktion der Sozialpartnervereinbarung die Lösung sein kann, ist eine Frage des Einzelfalls.

Die Bestimmung in der Sozialpartnervereinbarung, dass Beiträge zur Vorsorgekasse während der Kurzarbeit ungekürzt weiterzubezahlen sind, eignet sich wegen des Ausnahmecharakters dieser Regelung nur bedingt als Analogiebasis.

Einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Die einvernehmliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist auch während der Kurzarbeit möglich. Sie löst aber die Verpflichtung des Arbeitgebers aus, den Beschäftigtenstand aufzufüllen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der entsprechende Arbeitnehmer sich vorab von der Gewerkschaft oder der Arbeiterkammer beraten lässt. Die Praxis hat gezeigt, dass auf Nachfrage schriftliche Bestätigungen solcher Beratungsgespräche ausgestellt werden. (Kurt Wratzfeld, 4.6.2020)