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Direktor Thierry Fremaux und Präsident Pierre Lescure präsentierten das Line-up in einem leeren Kino.

Foto: Serge Arnal, Pool via AP

Bill Murray darf nicht nach Cannes und bleibt im Büro: Wie erwartet ist auch Wes Andersons "The French Dispatch" in der Cannes-Auswahl.

Foto: Fox Searchlight

Ungewöhnliche Zeiten brauchen neue Strategien. Nachdem das Filmfestival Cannes dieses Jahr nicht stattfinden kann, entschied sich die Leitung unter Thierry Frémaux, ihre Filmauswahl in der Art eines Ritterschlags bekannt zu geben. 56 Arbeiten wurden am Mittwochabend mit einem Cannes-Gütesiegel versehen, der bei der Promotion behilflich sein soll. Dies betrifft Kinostarts ebenso wie weitere Festivalauftritte. Mit den im September geplanten Filmfestivals Toronto und San Sebastián, nicht aber mit Venedig wurde die neue Regel vereinbart, dass die Filme dort auch in Wettbewerben gezeigt werden dürfen.

"Die Getreuen" und die Neuen

Auf die Auftrennung in Sektionen hat man bei der Programmbekanntgabe in Paris jedoch bewusst verzichtet. Stattdessen wurde die Auswahl in "Die Getreuen", also in schon öfters gezeigte Regisseure, in Newcomer, Debüts sowie Komödien und Dokumentarfilmen aufgeteilt. Unter den Arrivierten finden sich Wes Andersons starträchtige Komödie The French Dispatch wie auch zwei Arbeiten von Steve McQueen aus seinem TV-Projekt Small Axe über London-Einwanderer von den Westindischen Inseln, die er prompt dem Gedenken an George Floyd gewidmet hat. Weitere bekannte Namen sind u.a. der Däne Thomas Vinterberg mit seinem schon länger geplanten Film über Alkohol, Druk (Another Round), ein Adoptionsdrama der Japanerin Naomi Kawase und Été 85 von François Ozon. Auch der Japaner Kôji Fukada und der litauische Formalist Šarūnas Bartas finden sich im Line-up, Letzterer mit seinem Nachkriegsdrama In the Dusk.

Moretti und Weerasethakul fehlen

Allerdings fehlen auch prominente Autoren im Aufgebot, etwa Palmen-Gewinner Apichatpong Weerasethakul und Nanni Moretti oder der Franzose Leos Carax (Holy Motors). Diese haben ihre Filme möglicherweise doch bei Herbstfestivals platziert oder auf das kommende Jahr verschoben. Mit 15 Debütfilmen und einer beträchtlichen Zahl an Cannes-Neulingen setzt man den Kurs der Erneuerung und Durchmischung fort, der im vergangenen Jahr in Angriff genommen wurde. Darunter finden sich auch der Deutsche Oskar Roehler mit seinem Fassbinder-Film, Enfant terrible oder Viggo Mortensens Regie-Einstand Falling. Die Anzahl der Regisseurinnen, in Cannes seit Jahren ein strittiges Thema, ist mit 16 um zwei gegenüber 2019 gestiegen. Abzuwarten bleibt, wie diese Cannes-Selektion tatsächlich zu ihrer Öffentlichkeit finden wird – es möge kein verlorener Jahrgang werden. (kam, 4. 6. 2020)