"ORF 1 liefert sich mit ohne Sport ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kleinsendern", erklärte Wrabetz im Publikumsrats zur Bedeutung dieses Genres.

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Wie passt hohes Vertrauen der Bevölkerung in den ORF und seine Berichterstattung gerade seit den ersten Monaten der Corona-Krise zur Ablehnung der GIS laut einer aktuellen Gallup-Umfrage? ORF-Chef Alexander Wrabetz nimmt das im Publikumsrat gelassen und sieht "keine Stimmung, das jetzt abzuschaffen". Und auch bei ORF 1, wo laut Wrabetz "viel nicht funktioniert hat", will er "nicht die Flinte ins Korn werfen".

Der bürgerliche Publikumsrat Andreas Kratschmar verwies im Publikumsrat am Donnerstag auf eine Gallup-Umfrage aus dem April 2020 mit Fokus auf die Corona-Berichterstattung österreichischer Medien. 34 Prozent der Befragten fanden in dieser Umfrage die GIS-Gebühr "in Ordnung", 56 Prozent sprachen sich für eine Abschaffung aus.

ORF-Chef Wrabetz "glaubt" im Gegenteil eine "hohe Zustimmung zum ORF und zu seiner Finanzierung" zu beobachten. "Ich sehe keine Stimmung, das abzuschaffen", erklärte Wrabetz im Publikumsrat. Wenn man Menschen frage, ob sie gerne Steuern zahlen, bekomme man "je nach Stimmungslage" unterschiedliche Werte, "das ist auch bei den Gebühren so". Es sei "schade um die Zeit", sich solche Umfragen und ihre Fragestellung "im Detail anzuschauen".

Golli Marboe, vom Neos Lab in den Publikumsrat entsandt, warnte vor "weniger Kultur, weniger Information, weniger Dokumentation, weniger Familien- und Kinderprogramm" 2021, weil der ORF 40 Millionen Euro zusätzlich für die auf kommendes Jahr vertagten Sportevents (Olympische Spiele, Fußballeuropameisterschaft) brauche. Weitere 35 Millionen muss der ORF zudem nach bisherigem Stand 2021 einsparen, insgesamt also 75 Millionen Finanzbedarf.

Marboe: "ORF 1 nicht zu retten"

Marboe sprach von einem "schmerzlichen Verlust an Programmvielfalt", empfahl, den Sport auf ORF Sport Plus zu verlegen, den Sender von "Filmpaketen freizuschaufeln" und ORF 1 neu zu erfinden: "ORF 1 ist nicht zu retten, ORF 1 gehört neu gegründet." Marboe schlägt einen mitteleuropäischen mehrsprachigen Kanal vor auf Slowenisch, Serbisch, Ungarisch, Tschechisch und Deutsch.

Wrabetz hält es "für weder realisierbar noch sinnvoll, bei ORF 1 die Flinte ins Korn zu werfen, um einen mehrsprachigen mitteleuropäischen Sender zu schaffen". Bei ORF 1 habe "viel nicht funktioniert", man werde "viel Druck entfalten, dass die Dinge sich bessern".

"Sowas von wurscht"

Auseinandersetzungen zwischen ORF 3 und ORF 1 über Wiederholungen von "Soko Kitzbühel" am Nachmittag nimmt Wrabetz mehr als gelassen: "20 Jahre alte Wiederholungen von 'Soko Kitzbühel' am Nachmittag von ORF 3 oder von ORF 1 sind so was von wurscht, wie man sich's gar nicht mehr vorstellen kann." Es gebe zwischen ORF 1 und 3 "nur einen ganz geringen Publikumsaustausch".

Kritik an fehlender Flottenstrategie – für die er als ORF-General zuständig ist – wies Wrabetz zurück. Der ORF habe "Channels geschaffen, um unterschiedliche Ideen und Zugänge zu Themen auszuprobieren, damit man sieht, wo ist ein Erfolg". Nachsatz: Derzeit sei "der Erfolg bei den Ideen bei ORF 3 oft größer". ORF 3 habe mit 2,9 Prozent Marktanteil im Mai seinen bisherigen Bestwert erreicht.

"ORF 1 liefert sich ohne Sport ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kleinsendern", erklärte Wrabetz zur Bedeutung dieses Genres für den ersten Kanal des Küniglbergs. Sport mache elf Prozent der Sendezeit von ORF 1 aus, aber 24 Prozent der Nutzungszeit. (fid, 4.6.2020)