Als in Ischgl noch gefeiert und in Washington noch geprahlt wurde, brachte der mongolische Präsident Chaltmaagiin Battulga persönlich 30.000 Schafe nach Peking – als Zeichen der Freundschaft zwischen seinem Land und China. Während dort nach und nach die Echos aus Wuhan gehört und ein bis dahin unvorstellbarer Lockdown über weite Teile des boomenden Riesenreichs verhängt wurde, hatte man beim Nachbarn im Norden das Schlimmste schon hinter sich. Schafe sind nicht nur das mongolische Schicksalstier – ihre Wolle wärmt Menschen rund um den Globus –, sondern auch ein Glückssymbol. Nach dem Handschlag mit Chinas starkem Mann Xi Jinping begab sich Battulga wieder nach Hause – und in eine zweiwöchige Quarantäne.

CGTN

Bis heute hat es das zwar äußerst dünn besiedelte, allerdings von seiner ausfransenden Zentrale Ulaanbataar dominierte Land zwischen den Corona-Hotspots Russland und China geschafft, offiziell ohne Todesopfer durch die Pandemie zu kommen. Während hierzulande über Sinn und Unsinn der Maßnahmen diskutiert wird, mal der schwedische Weg gut- und dann wieder Donald Trumps Corona-Politik schlechtgeheißen wird, wird die Mongolei gerne übersehen. Zu Unrecht.

Seit Jänner wird in Ulaanbaatar regelmäßig desinfiziert.
Foto: Byambasuren BYAMBA-OCHIR

Zwischen zwei Hotspots

Glück allein erklärt den schon aufgrund der Geografie erstaunlichen Erfolg der mongolischen Maßnahmen nämlich nicht. Eher schon: Kaum ein anderes Land hat so früh und so diszipliniert auf die Bedrohung reagiert wie die bitterarme und wirtschaftlich fast völlig von China abhängige Mongolei. Laut der US-Universität Johns Hopkins hält das Land bei bisher ingesamt 186 bestätigten Infektionen und rangiert damit zwischen Libyen und Guyana, die bekanntlich beide nicht direkt an China grenzen. Tote: null. Die Zahl der Covid-19-Tests lag Mitte Mai bei etwa 11.000.

Schon im Februar ließ die Regierung elf der 13 Grenzübergänge nach China schließen, obwohl 80 Prozent der mongolischen Exporte in Form von Kohle, Kupfer und Seltenen Erden zum südlichen Nachbarn gehen – vor allem der Kohleexport gilt als Rückgrat der Wirtschaft in dem Steppenland

Der Kampf der Mongolei gegen einen Import von Covid-19 begann hingegen schon einige Wochen früher. Bereits am 22. Jänner, China hatte da gerade begonnen, die Provinz Hubei rund um Wuhan abzuriegeln, trafen sich Regierungsvertreter mit chinesischen Kollegen sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und erklärten, die Mongolen hätten sich auf eine Pandemie einzustellen und stünden einem Virus gegenüber, das von Mensch zu Mensch übertragen wird. Öffentliche Veranstaltungen wurden untersagt, grenzüberschreitende Reisen per Auto, Bus oder Bahn ebenso. Auch eine Maskenpflicht wurde verhängt und die Schulen und Universitäten ab dem 27. Jänner geschlossen – jeweils mit ein paar Tagen Anlauffrist.

Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh (re.) ist einer der Helden der mongolischen Krisenstrategie.
Foto: Byambasuren BYAMBA-OCHIR / AFP

Direktflug aus Wuhan

Von Corona hatten zu diesem Zeitpunkt in Österreich und dem Rest der westlichen Welt noch vergleichsweise wenige Menschen überhaupt gehört. Während man dort noch versuchte, dem kalten Winter mit einer Urlaubsreise zu entfliehen, und Tag für Tag Flugzeuge aus China auf europäischen Flughäfen landeten, begann die mongolische Regierung am 27. Jänner mit der Heimholung ihrer Expats, darunter drei Dutzend Studierende der Universität von Wuhan, dem 2.000 Kilometer entfernten Epizentrum der Pandemie. Wer auch immer heimwollte, wurde am Dschinghis-Khan-Flughafen von Ulaanbataar getestet und in Quarantäne geschickt, erst zwei, später drei Wochen lang. Auch die Flugzeugcrew.

Konsequente Quarantäne für Einreisende – auch Staatsbürger – gilt als Schlüssel für den Erfolg der Mongolei.
Foto: Byambasuren BYAMBA-OCHIR / AFP

Als Anfang März der erste Infizierte in der Mongolei entdeckt wurde – ein Franzose, der am 2. März aus Moskau eingereist war –, war der Aufschrei so groß, dass er nach Morddrohungen öffentlich um Entschuldigung bitten musste. Obwohl wenig später klar war, dass er niemanden angesteckt hatte, setzte die Regierung ihr ausgetüfteltes Notfallprogramm in Gang. Selbst der Zug, mit dem der Infizierte ins Land gekommen war, wurde isoliert, das Büro, in dem er arbeitete, sowieso. Alle öffentlichen Verkehrsmittel sowie der Autoverkehr wurden stillgelegt, kurz darauf auch die beiden noch offenen Grenzübergänge nach China geschlossen.

Rezession droht

Die Herzschlagader der mongolischen Wirtschaft war zwei Wochen lang blockiert, was zu einem Exporteinbruch im ersten Quartal um vierzig Prozent führte. Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh von der postkommunistischen Mongolischen Volkspartei hat ein milliardenschweres Hilfspaket aufgelegt, 40 Prozent der Mongolen leben jedoch an oder sogar unter der Armutsgrenze.

Auch im Gesundheitssektor traf das arme Land Vorkehrungen.
Foto: EPA/BYAMBASUREN BYAMBA-OCHIR

Auch das Gesundheitssystem des Landes wäre einem massiven Covid-19-Ausbruch aller international gelobten Vorbereitung zum Trotz nicht gewachsen gewesen. Für die gut drei Millionen Bewohner des riesigen Landes stehen gerade einmal 70 Beatmungsgeräte bereit – in Österreich sind es fast 3.000.

Nun könnte die globale Rezession nach der Corona-Krise, die in der Mongolei so erfolgreich eingedämmt wurde, zu einem gebremsten Kohlebedarf in China führen, was die Aussichten für die Mongolei nicht eben aufhellt.

Wahlen im Schatten von Corona

Am 24. Juni stehen in der Mongolei Wahlen an, jene zum Parlament nämlich, wo die Mongolische Volkspartei bisher über eine satte Mehrheit verfügt. Präsident Battulga, selbst ein Vertreter der oppositionellen Demokratischen Partei, könnte sich mit seinem medienwirksamen Schaftransport zum "ewigen Nachbarn" China einen Startvorteil erkämpft haben. (Florian Niederndorfer, 5.6.2020)