Lodernde Farben, rätselhafte Schatten: Endlich ist Kunst wieder leibhaftig erfahrbar. Hier mit "The Mansion" der Künstlerin Melanie Ebenhoch. Zu sehen ab Freitag bei Martin Janda.

Foto: Melanie Ebenhoch

Blick in die Ausstellung bei Gabriele Senn unter anderem mit Hans Weigands Würgebaum (re.) und einer Zeichnung von Jorinna Girschik (li.).

Foto: Gabriele Senn Galerie / Carreon Lopez

Seit Mitte April dürfen Galerien in Österreich wieder öffnen, jetzt können sie sich wieder einem öffentlichen Publikum präsentieren. Wie die restliche Wirtschaft hat auch die Kunstbranche massiv unter den Folgen der Corona-Krise zu leiden und muss jetzt schnell wieder auf die Beine kommen. Dies verdeutlicht der Zusammenschluss des Verbands österreichischer Galerien und der Arge Österreichische Galerien.

"In der aktuellen Lage ist eine starke Standesvertretung dringend notwendig, um so die Rahmenbedingungen der Galerien verbessern zu können", sagt der Galerist Martin Janda. Im Wechsel mit Kollege Hans Knoll wird er den Vorsitz des neuen Galerienverbandes übernehmen. Jetzt geht es um die Zusammenarbeit der einzelnen Galerien: Konkrete Forderungen sind unter anderem die Gründung eines Soforthilfe-Ankaufsfonds sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstkäufen.

Während man auf die großen Neueröffnungen in den Museen, meist noch bis Herbst – oder sogar bis nächstes Jahr –, warten muss, bringen österreichweit zahlreiche Galerien mit neuen Ausstellungen endlich frischen Wind in die Szene. Unter dem Motto "Open Days / New Shows" haben sich insgesamt über 60 Galerien zusammengeschlossen und ein gemeinsames Eröffnungswochenende organisiert, das Freitag von 12 bis 21 Uhr und Samstag von 12 bis 18 Uhr stattfindet. Hier ein kleiner Vorgeschmack.


Krinzinger

Eigentlich hätte die Ausstellung mit Werken des Madrider Malers schon Anfang April öffnen sollen, diese hingen jedoch bei der Ausreise aus Spanien fest. Bereits zum vierten Mal ist Secundino Hernández in einer Einzelschau in der Galerie Krinzinger zu sehen. Unter dem Titel One more time is good enough ist diese nun seit 20. Mai in den großzügigen Räumen der Galerie zu besichtigen. Und diese Fläche braucht Hernández auch: Denn seine Leinwände, die er von hinten einfärbt und dann mit einem Wasserdruckgerät so lange bearbeitet, bis sich die Farbe herunterschält und so schablonenhafte Muster hinterlässt, messen fast drei mal vier Meter. Diese Technik wiederholt sich in drei Werkgruppen – dunkel, bunt und schließlich hell. Im letzten Raum brechen neue Siebdruckarbeiten auf Karton erfrischend damit. Bis 27. 6.

Martin Janda

Die letzten Vorbereitungen laufen noch: Es ist die erste Einzelschau der Künstlerin Melanie Ebenhoch in der Galerie Martin Janda, die am Freitag eröffnet. Ein schwarz-weißes Poster im Untergeschoß wird noch geliefert. Der Spruch darauf: Bin nur kurz Zigaretten holen soll auch der Titel der Ausstellung werden. Die gezeigten Arbeiten sind fast alle während der Krise entstanden. "Vielleicht sind sie deshalb ein bisschen melodramatisch", sagt Ebenhoch. "Mit Titeln wie fireplace oder gasstation sollen sie an alte Hollywoodfilme erinnern." Ein wiederkehrendes Sujet ist das Haus der Schauspielerin Jane Mansfield, das auch auf einem kulissenhaften Kamin abgebildet ist. Subtil hinterfragt Ebenhoch das Frauenbild im Hollywoodfilm: Im Hauptraum blickt man wie durch einen grauen Vorhang zwischen nackten Frauenbeinen hindurch. Bis 11. 7.

Thaddaeus Ropac und Nikolaus Ruzicska

Daniel Richter hat seine Malerei schon mehrfach neu erfunden. Malte er etwa erst knallbunt abstrakt, wurde er später figürlich. Verglichen mit diesen von flirrenden Linien überladenen Bildern wirken die erst im Mai fertiggestellten Leinwände in der Galerie Ropac in Salzburg fast unfertig, so großzügig sind die Farbflächen angelegt. Die Figuren tendieren wieder zur Abstraktion, Dynamik der Linie zählt mehr als Ähnlichkeit, den Bezug zum Mythos vom gehäuteten Marsyas muss man suchen. Nicht weit ist es formal zu Henrik Eiben in der Galerie Nikolaus Ruzicska. Genauso bunt, aber viel geometrischer kombiniert er mundgeblasenes Glas, Holz, Leder, Metalle und Stoff zu minimalistischen Wandobjekten. Sie sind verspielte, filigrane (Jawlensky’s Smile) bis wuchtige ¬Referenzen an die Kunstgeschichte. Bis 18. 7. bzw. 19. 6.

Gabriele Senn

Es gibt bessere Zeiten für eine Einzelpräsentation als jetzt, da man nicht weiß, wie zahlreich das Publikum tatsächlich kommt. Welchem Künstler wollte man das zumuten? Daher zeigt die Wiener Gabriele Senn Galerie in Entertainment through absence rund 20 Positionen. Weil Senn stets überrascht, wie Künstler immer noch neue Ausdrucksformen finden (Cäcilia Browns Tonskulptur im Stahlgerüst) oder Retrostile frisch interpretieren (Jorinna Girschiks Zeichnungen), hat sie sich auch beim Konzept zurückgenommen: Die Künstler durften selbst entscheiden, was sie zeigen. Roten Faden gibt es also keinen. Ein Schaugenuss ist der von Hans Weigand schillernd bemalte asiatische Würgebaum. Richie Hoecks spiegelndes Schild Diskreter Seiteneingang erinnert in Anspielung auf Corona an die Hochzeit von Aids im New York der 1990er. Bis 1. 8.

Charim

Eine riesige, hypnotische Zielscheibe bedeckt den Boden der Charim Galerie. Wurmlöcher in Comics sehen ähnlich aus, und tatsächlich nimmt sie mit auf eine Zeitreise: Darauf verstreute Stühle, Folien und Kartonröhren erinnern an den Zustand, in dem Milica Tomic das verlassene Belgrader Staatsmuseum für moderne Kunst nach dem Zerfall Jugoslawiens vorfand. Dort goss sie damals die Zwischenräume des Schriftzugs "Jugoslavia" mit Blei aus, die Behauptung einer Nation wurde zur Leerstelle. Solche politischen Fragen bestimmen Tomics stark konzeptuelles Werk. Für eine zweite Arbeit hat sie mit Studierenden der TU Graz, wo sie zeitgenössische Kunst unterrichtet, den Boden des einstigen NS-Arbeitslagers Aflenz umgegraben und arrangiert die Funde mit Büchern über Landschaft oder Erinnerung als spartanisches Diskursangebot. Bis 19. 6.

(Katharina Rustler, Michael Wurmitzer, 5.6.2020)