Erst im April hat Jakob Pöltl den Basketballfilm White Men Can’t Jump, in dem rassistische Vorurteile sehr ironisch ad absurdum geführt werden, im STANDARD beschrieben. Wenige Wochen später ist in den USA, wo der Wiener seit 2014 lebt, die Situation dramatisch. Viele Sportstars erklären sich mit jenen solidarisch, die nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstrieren. Sie setzen damit ein dringend notwendiges Zeichen, sagt Pöltl und lobt seinen Coach Gregg Popovich von den San Antonio Spurs, einen der härtesten Kritiker von Donald Trump. Auch in Österreich, meint Pöltl, sollte mehr gegen Rassismus getan werden.

STANDARD: San Antonio in Texas, wo Sie leben, ist mit 1,5 Millionen Einwohnern die siebentgrößte Stadt der USA. Wie viel bekommen Sie dort von den Protesten mit?

Pöltl: Die Menschen sind auch hier auf die Straße gegangen. Ich weiß, dass auch einige Teamkollegen die Demonstranten unterstützt haben, mit Verpflegung, mit Getränken. Ansonsten informiere ich mich über die sozialen Medien und durch Kontakte mit Freunden, die ich in vielen amerikanischen Städten habe.

Jakob Pöltl macht sich Sorgen darüber, wie sich die USA entwickeln. "Man muss befürchten, dass alles eskaliert, Trump trägt dazu bei."
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STANDARD: Überrascht es Sie, was sich landesweit auf den Straßen abspielt?

Pöltl: Die Situation überrascht mich höchstens in ihrer Dramatik. Aber dass wieder etwas passiert, war nur eine Frage der Zeit. Das Problem, dass es strukturellen Rassismus in den USA gibt, ist ja nie richtig angegangen worden. Und in den vergangenen Jahren hat sich nichts verbessert. Allein wenn ich mit meinen Teamkollegen rede, bekomme ich viel davon mit.

STANDARD: Wobei NBA-Basketballer ja sicherlich privilegiert sind, nicht nur ihrer Gagen wegen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem die große Mehrheit der Spieler dunkelhäutig ist.

Pöltl: Das stimmt natürlich. Aber jeder dunkelhäutige Spieler, selbst wenn er jetzt ein Superstar ist, war in seiner Kindheit und Jugend mit Rassismus konfrontiert. Einer meiner besten Freunde ist der Kameruner Pascal Siakam, mit dem ich bei den Toronto Raptors gespielt habe. Auch er sagt, er musste lernen, mit Rassismus zu leben. Und in den sozialen Medien schlägt einem sowieso regelmäßig Rassismus entgegen, weil viele Leute glauben, dass sie im Internet alles loswerden können.

STANDARD: In San Antonio ist Gregg Popovich Ihr Trainer, er ist nicht nur bei den Spurs, die er zu fünf NBA-Titeln führte, eine Legende und betreut auch das US-Nationalteam. Popovich ist einer der härtesten Kritiker von US-Präsident Donald Trump, den er einen "geistesgestörten Idioten", einen "pathologischen Lügner" und einen "seelenlosen Feigling" nennt. Würden Sie etwas hinzufügen oder streichen wollen?

Pöltl: Ich persönlich hätte das vermutlich nicht so hart formuliert. Aber auch ich bin kein Fan von Trump und dem Blödsinn, den er treibt. Er ist keine Führungspersönlichkeit, er ist kein Präsident, er trifft viele falsche Entscheidungen.

Pöltl: "Jeder dunkelhäutige Spieler, selbst wenn er jetzt ein Superstar ist, war in seiner Kindheit und Jugend mit Rassismus konfrontiert."
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STANDARD: Wie viel Mut gehört dazu, in Texas so aufzutreten wie Popovich?

Pöltl: Hut ab vor ihm. Es zeichnet ihn aus, dass er sich so klar äußert. Er tut das nicht erst seit dem Mord an George Floyd und seit Trumps Reaktion darauf. Er hat es schon immer getan. Popovich ist an den Vorgängen interessiert, er informiert sich, kennt sich aus. Manchmal spricht er uns nach dem Training auf politische Ereignisse an und fragt, ob wir das und das mitbekommen haben. Und wenn wir vor oder nach Auswärtsspielen gemeinsam essen gehen, gibt es eine Regel: Es darf über alles gesprochen werden, nur nicht über Basketball.

STANDARD: Wie sehr sind Sie besorgt?

Pöltl: Ich mache mir Sorgen, nicht um meine eigene Sicherheit, sondern darüber, wie sich die USA entwickeln. Man muss befürchten, dass alles eskaliert, Trump trägt dazu bei. Die Emotionen sind auf einem Höhepunkt. Viele denken nicht nach, bevor sie etwas tun. Und wenige schaffen es, viel Aufmerksamkeit zu erzielen. Ich bin überzeugt, eine große Mehrheit der US-Polizisten verurteilt, was in Minneapolis passiert ist – dass ihre Kollegen einen Menschen umgebracht haben. Und natürlich ist eine ganz große Mehrheit der Demonstranten friedlich.

STANDARD: Glauben Sie, dass die Demonstrationen etwas bewirken werden?

Pöltl: Es gibt die große Hoffnung, dass sich etwas ändert. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Change. Es muss auch besser werden, es kann nicht so weitergehen. Deshalb ist es wichtig und gut, dass Stars aus dem Sport und anderen Bereichen dafür eintreten.

STANDARD: Rassismus ist nicht auf die USA beschränkt. Kann Österreich etwas daraus lernen, was in Nordamerika passiert?

Pöltl: Unbedingt. Rassismus ist ein weltweites Problem. Die USA stehen auf der Skala woanders, aber Rassismus gibt es auch in Österreich. Österreich muss ebenfalls mehr gegen Rassismus tun. (Fritz Neumann, 5.6.2020)