Als die Befragung des "Falter"-Chefredakteurs Florian Klenk zu Ende war, ließ der Vorsitzende des Ibiza-Untersuchungsausschusses, Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), den Befragungstisch desinfizieren. Wollte er uns damit etwas sagen?

Na ja, es wird hinter jedem Befragten desinfiziert. Aber eines war schon auffällig: Wolfgang Gerstl, der ÖVP-Vertreter im Untersuchungsausschuss, schien bei der Befragung mehr daran interessiert zu sein, das Prinzip des Aufdeckungsjournalismus infrage zu stellen. In einer langen Passage schien er zu insinuieren, dass es die Pflicht des Journalisten sei, sein Wissen über den Inhalt des Ibiza-Videos an die Behörden weiterzugeben.

"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk.
Foto: EPA/FLORIAN WIESER

Jeder Beamte sei zur Anzeige verpflichtet, wenn er etwas Illegales sehe, doch der Journalist habe "den umgekehrten Zugang" und gebe nichts heraus, sagte er. Der Abgeordnete Gerstl scheint mit dem Konzept des Redaktionsgeheimnisses und der Medienfreiheit nicht vertraut zu sein und wurde auch von der Verfahrensrichterin "abgedreht".

Seltsames Frageverhalten eines ÖVP-Politikers vor einem Gremium, wo es vordergründig um das Fehlverhalten ehemaliger FPÖ-Politiker geht. Allerdings heißt der Ausschuss mit vollem Namen "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)". (Hans Rauscher, 4.6.2020)