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Eines von zehn Idolen von "Dear..." auf Apple TV +: Spike Lee, hier auf einem Archivbild aus 2009.

Foto: AP Photo/Peter Kramer,

In Krisenzeiten können Idole Trost spenden. Wie wäre es mit Bibo, dem gelben Vogel aus der "Sesamstraße"? Er hat seine eigene Folge in "Dear...", einer zehnteiligen Schmonzette auf Apple TV +, die herzerwärmende Briefe von Menschen zeigt, die sich von Idolen inspirieren haben lassen, darunter Regisseur Spike Lee, Tänzerin Misty Copeland und Bibo.

Amerikanischer Traum zur Unzeit

Es liegt natürlich eine gewisse, grausame Ironie darin, dass Apple TV + gerade in der Woche nach dem brutalen Tod des Afroamerikaners George Floyd – eine Woche in der die Menschen in den USA wütend auf den Straße marschieren, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren – eine erbauliche Serie vorstellt, die sich auf den amerikanischen Traum konzentriert. "Glaub an dich selbst und alles ist möglich", heißt es an einer Stelle.

Die erste Folge dreht sich um Spike Lee, den Regisseur von Filmen wie "Nola Darling" (1986), "Do the Right Thing" (1989) und "Malcolm X" (1992). Ein Mann, der vom Mangel an schwarzer Repräsentation im Hollywoodfilm so enttäuscht war, dass er es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Branche für immer zu verändern und ein Künstler, dessen Bedeutung für die Populärkultur nicht genug betont werden kann.

Dank an Spike Lee

"Lieber Spike, wegen deiner Filme habe ich jetzt eine Karriere, die ich mir nie erträumt hätte", schreibt ein schwarzer Filmemacher in einem Brief, den er in die Kamera vorliest. "Dein Einfluss auf mich hat mein Leben verändert." Die Bilder wechseln hin und her zwischen Menschen, die Fanbriefe vorlesen und dem Regisseur, der sichtlich gerührt diese Briefe liest und aus seinem Leben erzählt. Nachdem Candace Parker den Film "Spike Lee's Spiel des Lebens" (1998) gesehen hatte, beschloss sie die beste Spielerin im Frauenbasketball zu werden.

Von "Big Bird" Bibo lernen

Eine andere Folge widmet sich Bibo aus der "Sesamstraße". Er ist ein gelber Vogel, der im Original Big Bird heißt. Bibo ist technisch gesehen erst sechs Jahre alt, aber es gibt ihn seit Beginn der erfolgreichen Fernsehserie im Jahr 1969. Er soll Kindern beibringen, wie man ein guter Freund ist, wie es in Ordnung ist, Fehler zu machen und wie man diejenigen akzeptiert, die sich von uns unterscheiden. Die Briefe an ihn stammen von den Erwachsenen, die mit ihm aufgewachsen sind. "Lieber Bibo", schrieb ein Mann mit Autismus. "Du hast mir gezeigt, wie man Menschen so akzeptiert, wie sie wirklich sind – bei mir angefangen." Die aus Indien stammende, US-Journalistin Sarika Bansal liest vor: "Du hast mir nicht nur geholfen, Englisch zu lernen, sondern auch, meinen Platz in der Welt zu finden."

Winfrey, Wonder, Goodall

Das wiederholt sich in acht weiteren Folgen mit Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey, Frauenrechtlerin Gloria Steinem, Sänger Stevie Wonder, Schauspieler Lin Manuel Miranda, Verhaltensforscherin Jane Goodall, Kunstturnerin Aly Raisman, Schauspielerin Yara Shahidi und Balletttänzerin Misty Copeland. Kann die Geschichte einer Person die Welt verändern? Die Dokuserie von Produzent R.J. Cutler, inspiriert von Apples "Dear Apple"- Spots (Kunden schreiben regelmäßig Briefe an Tim Cook, um ihm zu sagen, auf welche Weise seine Produkte ihr Leben verändert haben), sagt "Ja, das kann sie".

Misty Copeland war zehn Jahre lang die einzige schwarze Balletttänzerin am renommierten American Ballet Theatre. Sie hat Hunderten von afroamerikanischen Mädchen gezeigt, dass ein Schwan nicht weiß sein muss.

Aber zum einen ist die Dokureihe nur ein weiteres Beispiel von amerikanischen Exzeptionalismus (fast alle hier sind Amerikaner), und zum anderen gibt es Fernsehwerbungen, die interessanter gefilmt wurden. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Amerikanische Traum wie eine längst geplatzte Seifenblase scheint und eine globale Krise die tiefen Risse in der US-Gesellschaft bloßlegt, suchen Menschen nach echter Hoffnung. Ob sie diese in eben jener Serie mit anschwellenden Engelschören finden werden, ist fraglich. (APA, 5.6.2020)