Wien/Rom – Am Freitag präsentierten die Europäische Weltraumagentur (Esa) und die EU-Kommission ein Covid-19-Dashboard, das anders als andere Datensammlungen nicht Auskunft über Ansteckungszahlen oder Todesfälle geben soll, sondern über die messbaren Auswirkungen des europaweiten Lockdowns. Unter anderem Aufnahmen der Sentinel-Satelliten des Esa-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus wurden ausgewertet, um die Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen für Umwelt, Landwirtschaft und Industrie zu illustrieren.

So zeigt das sogenannte Rapid Action on Covid-19 and Earth Observation (Race) Dashboard, das vom Wiener IT-Dienstleister Eox umgesetzt wurde, etwa anhand von Aufnahmen leergebliebener Auslieferungsparkplätze die rückläufigen Produktionsmengen an Montagestandorten der Autobauer VW und Volvo.

Die Satelliten der Weltraumbehörde Esa sind auch in der Lage, die Wasserqualität im Meer zu messen.

Auf ausbleibende Touristen und eine Einschränkung des Schiffsverkehrs deutet die bessere Wasserqualität in der Lagune von Venedig während der Quarantänezeit hin. Den stärkeren Algenbewuchs und die deshalb erhöhte Chlorophyll-Konzentration in der Oberen Adria können Satelliten direkt anhand der Sichttiefe erfassen.

Heuer ein Bruchteil an Stickstoffdioxiden

Der für ihn aufschlussreichste Indikator sei der massiv gesunkene Level an Stickstoffdioxiden (NO2) in der Atmosphäre während des Lockdowns, sagt Josef Aschbacher im Gespräch mit dem STANDARD. Der gebürtige Tiroler ist Direktor des Esa-Erdbeobachtungsprogramms und verwaltet von der Zentrale der Organisation südöstlich von Rom aus das milliardenschwere Copernicus-Programm und damit die von der Kommission bereitgestellten Sentinel-Satelliten.

In der folgenden Aufnahme sind Regionen mit erhöhten Werten des bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden Schadstoffs NO2 in dunklerem Rot dargestellt.

Die linke Seite zeigt die zweite Märzhälfte des Jahres 2019, die rechte Seite den sehr viel schwächer ausgefallenen Vergleichszeitraum heuer, als die meisten Lockdown-Maßnahmen bereits in Kraft waren. (Über den Schieberegler können Sie die Vergleichsansicht steuern.) Messen können die Satelliten per Radar die Stickstoffdioxidkonzentration durch die variierende Rückstreuung des Sonnenlichts, die die winzigen Partikel auszulösen vermögen.

Kooperation mit Nasa und Jaxa

Rein optische Aufnahmen zeigen etwa an Flughäfen gestrandete Flugzeuge und in Häfen ankernde Öltanker oder ausbleibende Verkehrsstaus und Verzögerungen in der Spargelernte; solche Beispiele würden demonstrieren, dass die Erdbeobachtung konkrete Veränderungen im gesellschaftlichen Handeln abbilden und so als Grundlage für Reaktionen der Politik dienen kann, sagt Aschbacher, der Europa in der Sparte als weltweit führend erachtet.

Das Race-Projekt soll nach und nach um neue Kennwerte und weiter zurückliegende Datenpunkte der bestehenden Indikatoren ergänzt werden. Für Österreich ist derzeit geplant, die kommerziellen Aktivitäten im Handels- und Gewerbegebiet Klosterneuburgs und das Volumen von OMV-Erdölreserven in Wien-Simmering abzubilden.

In Kooperation mit der US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa und dem japanischen Pendant Jaxa ist außerdem eine Ausweitung von europaweiten auf globale Dimensionen geplant und eine Ausdehnung auf die Zeit nach der Coronavirus-Pandemie angedacht. (Michael Matzenberger, 5.6.2020)