Nutzen Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump die Pandemie, um die Grundrechte weiter einzuschränken?

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Der Ausbruch der Pandemie führte in fast jedem Land der Welt zu strikten Eingriffen in die persönlichen Freiheiten der Menschen. Sie wurden dem Schutz der Gesundheit und der Eindämmung des Coronavirus untergeordnet. Doch in einigen Staaten drängte sich rasch der Verdacht auf, dass die Maßnahmen auch genutzt wurden, um politische Gegner zu schwächen oder Restriktionen gegen bestimmte Teile der Bevölkerung durchzusetzen. In den folgenden acht Ländern waren die Beschränkungen der Grundrechte besonders drastisch. Die Liste erhebt aber bei weitem nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

USA

Bereits zu Beginn des Covid-19-Ausbruchs in den USA wurden sogenannte "nicht notwendige medizinische Eingriffe" in vielen Bundesstaaten untersagt. In einigen wurden dabei auch Abtreibungen mit eingerechnet. So sprach das Justizministerium von Texas am 23. März ein Totalverbot von Schwangerschaftsabbrüchen in dem konservativen Staat aus. Dieses wurde von einem Gericht wieder aufgehoben, nur um 21 Stunden danach durch ein Berufungsgericht wieder eingesetzt zu werden. Hunderte Frauen konnten keinen medizinischen Eingriff durchführen lassen, viele von ihnen reisten für eine Abtreibung in andere Bundesstaaten.

Brasilien

Präsident Jair Bolsonaro wird schon länger vorgeworfen, es mit den Regeln der Demokratie nicht so genau zu nehmen. Die Corona-Krise, in die sein Land geschlittert ist, hielt ihn von seiner Vorgehensweise nicht ab – im Gegenteil: Zwei Gesundheitsminister mussten gehen, nachdem sie ihm widersprochen hatten. Als bei Wilson Witzel, dem Gouverneur von Rio, Hausdurchsuchungen stattfanden, vermutete er dahinter ebenfalls eine Kampagne seines politischen Gegners Bolsonaro. Im Mai haben sich zum ersten Mal mehrere Oppositionsparteien zusammengetan und einen Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro eingebracht.

Polen

Wäre es nach der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gegangen, dann hätte Polen bereits am 10. Mai seinen Präsidenten gewählt. Trotz der Epidemiebestimmungen hätte per Brief abgestimmt werden sollen. Dafür hätte aber das Gesetz geändert werden müssen. Das wäre ihrem Kandidaten, dem Amtsinhaber Andrzej Duda, sehr entgegengekommen. Dieser führt nämlich in allen Umfragen – auch weil die Opposition durch die Restriktionen im Land keinen Wahlkampf führen konnte. Nur kurz vor dem Wahltermin hat die PiS ohne Konsultation der Opposition, des Parlaments oder der Wahlbehörden eine Verschiebung beschlossen.

Ungarn

Am 20. Juni soll die Notverordnung auslaufen, die es der ungarischen Regierung erlaubt hat, per Dekret zu regieren. Das Parlament hatte sich quasi selbst ausgeschaltet. Der internationale Aufschrei gegen das Vorgehen von Premier Viktor Orbán war laut, wurde dadurch doch die Möglichkeit geschaffen, Wahlen abzusagen, eine Höchststrafe von acht Jahren Haft für Vergehen gegen Quarantänebestimmungen eingeführt und Orbán die Befugnis gegeben, Medienunternehmen zu schließen, wenn sie seiner Meinung nach Unwahrheiten verbreiten. Außerdem können an der ungarischen Grenze keine Asylansuchen mehr gestellt werden.

Marokko

Das Königreich geht streng gegen die Verbreitung von Falschinformationen vor – besonders seit Ausbruch der Pandemie. Eine Youtuberin war zu einem Jahr Haft verurteilt worden, weil sie die Existenz des Virus leugnete. Ihre Strafe wurde Ende Mai auf drei Monate reduziert. Doch unter dem Deckmantel des Kampfes gegen "Fake-News" gehen die Behörden auch gegen Satire vor. So wurde eine Frau in einer Gemeinde in der Sahara verhaftet, weil sie sich auf Tiktok darüber lustig machte, wie Beamte Menschen schelten, die gegen den Lockdown verstoßen. Offiziell wurde sie wegen des illegalen Tragens einer Uniform in Gewahrsam genommen.

Philippinen

Der so umstrittene wie gewaltsame "war on drugs" des Präsidenten Rodrigo Duterte legte auch während der Covid-19-Pandemie keine Pause ein. Mitte April verkündete der philippinische Senator Bong Go zudem, dass genug Leichensäcke für Drogendealer und Fake-News-Verbreiter zur Verfügung stünden – eine verbale Eskalation wie sie von Hilfsorganisationen heftig kritisiert wird. Vor allem weil während des Kampfes gegen Drogendealer und auch -süchtige tausende Menschen durch Polizei- und Armeekugeln starben. Familienangehörige wie Eltern, Partner oder Kinder erhalten nach den Tötungen nicht einmal Unterstützung durch den Staat.

Katar

Das Emirat hat eine der höchsten Pro-Kopf-Infektionsraten der Welt – und ein Viertel aller Infizierten sind migrantische Arbeiter. Deren Rechte wurden in der Krise weiter ausgehöhlt. Im April berichtete Amnesty International, dass mehrere nepalesische Männer unter dem Vorwand eines Covid-19-Tests abgeholt und in Abschiebezentren gebracht wurden. Außerdem erlaubt eine Regierungsdirektive Unternehmern, Arbeiter in unbezahlten Urlaub zu schicken oder ihre Verträge aufzulösen. Dabei müssten sie weiter für Unterkünfte und Nahrung sorgen. Der Guardian zitiert Betroffene, die aber nun auf der Straße stehen und hungern.

Uganda

Mehrere Menschenrechtsorganisationen und auch die Experten der Vereinten Nationen äußerten lautstark ihre Sorge, als die ugandischen Behörden Ende März eine Unterkunft für LGBT-Personen durchsuchten und 19 Menschen festnahmen. Offiziell sollen sie die Abstandsregelung nicht eingehalten haben, aber in einem Land, in dem homosexuelle Handlungen verboten sind und immer wieder über die Todesstrafe im Zusammenhang damit diskutiert wird, entstand ein anderer Eindruck. "Es wird befürchtet, dass die Behörden die Covid-19-Vorkehrungen nicht nur für den Schutz der öffentlichen Gesundheit einsetzen", so ein Statement der Uno. (Bianca Blei, 9.6.2020)