Teure Hüte.

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Auch Leila Slimani führt Corona-Tagebuch. Die mit dem Prix Goncourt prämierte französische Schriftstellerin schildert darin die Zurückgezogenheit, in die man durch die Corona-Krise gezwungen wurde.

Kleines, aber pikantes Detail am Rande: Slimani sinniert über den Lockdown nicht etwa in einem düsteren WG-Zimmer oder aus einer Einzimmerwohnung in einem metropolitanen Erdgeschoß. Die Schriftstellerin verbrachte die Krise in ihrem Landhaus in Paris, sie schreibt vom Raureif im Garten und den herumtobenden Kindern – viele Menschen empörte das. In den sozialen Medien brach ein Shitstorm über die "privilegierte" Literatin herein.

Zwar war man selten mit so wenig so reich wie in der Corona-Krise. Denn es musste kein Landhaus sein. Ein kleiner Garten, ein Balkon, ein Auto reichten während des Lockdowns oft aus, um sich ungeniert und abseits jeglicher Polizeikontrolle an die frische Luft begeben zu können – besonders galt dies für Länder wie Italien, wo es ausgedehnte Ausgangssperren gab. Dort durfte man sich etwa phasenweise nicht mehr als 200 Meter von zu Hause entfernen. Aber wer sehr viel besitzt, ist in mancher Hinsicht doch ein bisschen freier als die anderen. So boomte der Markt für Privatjets, wie die Financial Times berichtete. Flugausfälle und Maskenpflicht nerven eben.

Auch in der Corona-Krise zeigte sich also, welchen Unterschied das "privat" in Privatjet macht. Oder in Privatgrundstück. Oder Privatstrand. Denn was im Privaten passiert, kann der Staat nur bedingt unterbinden.Und gleichzeitig gilt: Reiche können sich vielfach privat Dinge leisten, die den allermeisten Menschen nur der Staat ermöglicht – sei es Bildung, Gesundheitsversorgung, Grünanlagen oder Sicherheit.

Freiheit kostet

Doch dafür braucht auch der Staat Geld. "Steuern? Wunderschön!", richtete 2007 der damalige italienische Wirtschaftsminister Tommaso Padoa-Schioppa den superreichen Steuervermeidern aus. Taxen seien ein Beitrag zum öffentlichen Gut, Steuernzahlen weniger ein Übel als etwas Schönes.

Doch zahlreiche Studien widersprechen seinem Aufruf: Mit steigendem Vermögen, so das Fazit, sinkt auch die Motivation, Steuern zu zahlen. Schließlich muss man sich für bestimmte Freiheiten nicht mehr auf den Staat verlassen – und lässt zum Erhalt dieser Privilegien den motivierten Steuerberater jeden Schlupfwinkel der Gesetze ausloten.

Gerade die Entbehrungen des Lockdowns ließen bei weniger Vermögenden das Gefühl der Ungleichheit erstarken, wie der Shitstorm gegen Slimani zeigt. Schauspielerin Jennifer Lopez erging es ähnlich, als sie auf Twitter über die Enge im Garten mit Pool lamentierte. Es folgte zwar kein Shitstorm, aber zumindest unzählige bösartige Kommentare. Dass der Hollywoodstar die Schließung von Restaurants beklagte, heizte die Stimmung weiter an. Denn für das Gros der Menschen bedeuten die Maßnahmen echte Entbehrungen. (Aloysius Widmann, 13.6.2020)