Bei der Übergabe einer Petition gegen den Bau des Wasserkraftwerks Tumpen-Habichen am vergangenen Mittwoch beschimpfte Josef Geisler (rechts) im Beisein von Ingrid Felipe (links) eine Umweltschützerin.

Foto: APA/WWF Österreich

Innsbruck – Der nach seiner sexistischen Beschimpfung einer WWF-Aktivistin in die Kritik geratene Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) hat am Freitag nachgelegt. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung, die vom Zillertaler Politiker wissen wollte, wie er die Aussage "widerwärtiges Luder" gemeint habe, lieferte sein Büro eine bemerkenswerte Erklärung: Der Landeshauptmannstellvertreter habe den Ausdruck "ohne jedwede Aggression verwendet", erklärt seine Sprecherin. "Luada" werde "in Tirol umgangssprachlich für eine schlitzohrige, hartnäckige Person verwendet, die einen austrickst".

Damit nicht genug, driftete der passionierte Waidmann ins Jägerlatein ab und versuchte den Begriff "Luder" als aus der Fachsprache der Grünröcke entlehnt zu legitimieren. Dort sei damit nämlich ein Köder oder Kadaver zum Anlocken von Raubtieren gemeint und das Luder somit "nicht zwingend negativ" konnotiert. Allerdings müsste Hobby-Etymologe Geisler auch wissen, dass der Begriff "Luder" schon im Mittelhochdeutschen als derbes Schimpfwort verwendet wurde. Mit dem Zusatz "widerwärtig", den er gegenüber der jungen Frau benutzt hatte, ist ohnehin jedwede Diskussion hinfällig.

Felipe hat Aussage "nicht gehört"

Es war am vergangenen Mittwoch im Zuge einer Petitionsübergabe am Innsbrucker Landhausplatz gegen den Bau des Wasserkraftwerks Tumpen-Habichen im Ötztal, als Geisler im Beisein der grünen Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe die WWF-Aktivistin sexistisch beschimpft hat. Wie ein Video zeigt, fiel der Politiker der jungen Frau mehrfach ins Wort, und als sich diese nicht unterbrechen lassen wollte, kommentierte Geisler dies in Richtung Felipe mit "Sieg'sch, die losst mi gor net dreinreden. Widerwärtig's Luada!". Felipe, die darauf nicht reagiert hatte, erklärte am Donnerstag, sie habe Geislers Worte nicht verstanden, weil sich ihre gesamte Aufmerksamkeit darauf richtete, der Aktivistin zuzuhören.

In einer ersten Entschuldigung am Donnerstag behauptete der VP-Politiker noch, die Frau habe ihn unterbrochen, weshalb er emotional reagiert habe. Angesichts des Videos, das diese Behauptung klar widerlegt, ruderte er schließlich zurück und musste eingestehen, dass er es war, der unterbrochen hatte. Erst am späten Freitagnachmittag entschuldigte sich Geisler letztlich persönlich via Telefon bei der Umweltschützerin für seine Worte.

Entschuldigung nicht ausreichend

Die von Geisler beschimpfte Frau habe sich für den Anruf bedankt, ließ der WWF wissen. Allerdings sehe man aufgrund der bisherigen Äußerungen – gerade auch nach dem Sager – "noch sehr viel Erklärungs- und Klarstellungsbedarf". Wenn Geisler seine Verantwortung ernst nehme, werde er sich dazu auch persönlich glaubwürdig in der Öffentlichkeit erklären müssen. "Bisher hat er die Zeit dafür nicht genützt", so die Stellungnahme der Organisation unter Berufung auf die Frau.

Die von Josef Geisler beleidigte Frau hat sich nun auf Twitter zu der Entschuldigung des Politikers geäußert.

Politische Konsequenzen in Form eines Rücktritts des Politikers sind jedoch nicht zu erwarten. Weder Geisler selbst noch Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sehen einen Grund dafür. Er habe sich ja persönlich und in aller Form öffentlich entschuldigt. Auch die Vorsitzende der Frauen in der Tiroler Volkspartei, Nationalratsabgeordnete Elisabeth Pfurtscheller, sieht keinen Grund für einen Rücktritt und hält eine Entschuldigung für ausreichend.

Rücktritt Geislers für ÖVP und Grüne kein Thema

Die Tiroler Grünen, seit 2013 Koalitionspartner der Volkspartei, kritisierten Geislers Tirade zwar mehrfach, eine Rücktrittsforderung getrauen sie sich aber offenbar nicht zu artikulieren. Die schärfste Kritik kam von der grünen Frauensprecherin Stephanie Jicha, die in Richtung Geisler meinte, dass es für sexistische Aussagen im Jahr 2020 in der Politik keinen Platz gebe – und "wer das als Inhaber eines hohen Amtes nicht verstanden hat, ist deplaziert". In den sozialen Medien, wo das Schweigen von Ingrid Felipe teils heftig kritisiert wird, weisen grüne Politikerinnen und Politiker diese Kritik entschieden zurück.

Heftige Kritik kam von den Tiroler Oppositionsparteien, die Geislers Sager durchwegs verurteilten. FPÖ-Chef Markus Aberzger sieht darin einen "klaren Rücktrittsgrund". Auch Dominik Oberhofer von den Neos Tirol zeigte sich entsetzt: "Diese Aussagen lassen tief blicken, man ist sich keiner Schuld bewusst. Hier müssen Konsequenzen gezogen werden." Die Tiroler Landesfrauenvorsitzende der SPÖ, Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim, sagte: "Eine Entschuldigung allein wird da nicht reichen. Es braucht klare Worte der Distanzierung." Andrea Haselwanter-Schneider von der Liste Fritz forderte eine "aufrichtige Entschuldigung – oder treten Sie zurück". (Steffen Arora, 5.6.2020)