Während der Corona-Krise mussten zahlreiche Betriebe schließen. Nun läuft der Rechtsstreit um mögliche Entschädigungsleistungen.

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Mitte März hat der Nationalrat die Regelung aufgehoben, die zu weitgehenden Entschädigungen bei Seuchen führt. Bis zu diesem Zeitpunkt war nämlich festgelegt, dass die Republik Betrieben oder Selbstständigen den Verdienstentgang abgelten und die in der Zeit angefallenen Lohnkosten ersetzen muss, wenn diese wegen einer Epidemie geschlossen werden. Der Grund der Außerkraftsetzung des Paragrafen liegt auf der Hand: Die Kompensation aller Ausfälle hätte die Republik wohl an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht.

Dennoch war die Aushebelung der Entschädigung schon beim Beschluss des ersten Covid-19-Gesetzespakets höchst umstritten. Alle Oppositionsparteien kritisierten den Schritt und brachten Abänderungsanträge ein. Letztlich sahen sie sich gezwungen, der Streichung zuzustimmen, weil es sich um ein Sammelgesetz handelte. Die Alternative wäre gewesen, alle Corona-Schutzmaßnahmen abzulehnen.

Große Empörung

Jedenfalls ist die Empörung in Teilen der Wirtschaft groß, denn die Regelung zur Entschädigung bei Epidemien existiert seit 1913, die gültige Fassung stammt aus dem Jahr 1950. Nun, als die Ausgleichszahlungen so dringend benötigt würden, hat sie die Koalition über Nacht ausgehebelt. Die Regierung hat die Änderung damit begründet, dass die alte Regelung nicht für eine globale Pandemie ausgerichtet gewesen sei, sondern für Seuchen mit begrenztem Umfang. Außerdem sei ja ein riesiges Hilfspaket geschnürt worden. Das freilich Schwächen hat, wie Opposition und andere Kritiker unermüdlich darlegen. Sie legen der Regierung zur Last, dass die Betriebe zu Bittstellern gemacht worden seien und nun unter Bürokratie leiden.

Die Frage ist auch deshalb von Bedeutung, weil es für die von den Bezirkshauptmannschaften unter Quarantäne gestellten Ortschaften sehr wohl Ersatzleistungen geben dürfte. Dabei handelt es sich um rund 30 Gemeinden in Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg. Darin sehen einige Juristen auch einen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt. Denn dem Gesetzgeber ist es nicht gestattet, Gleiches unsachlicherweise ungleich zu behandeln.

Vertrauensschutz

Zudem wird von Anwälten wie Berthold Lindner, der die Aushebelung der Entschädigung vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft, der Vertrauensschutz ins Spiel gebracht. Bei gravierenden Änderungen der Rechtslage hat der Verfassungsgerichtshof regelmäßig entschieden, dass diese nur mit langen Übergangsfristen erfolgen dürfen. Lindner nennt die Angleichung des Pensionsalters von Frauen an jenes der Männer als Beispiel. Auch der Rechtsprofessor Thomas Klicka von der Universität Münster hat verfassungsrechtliche Bedenken. Im STANDARD erklärte er, dass die Vorgangsweise der Regierung keineswegs alternativlos gewesen sei. Auch er ist der Meinung, dass die Betriebe mit einem Federstrich von Anspruchsberechtigten zu Bittstellern degradiert worden seien.

Unproblematisch wäre freilich auch die Anwendung der gestrichenen Entschädigungsregelung nicht gewesen, denn sie fokussiert auf geschlossene Betriebe. Während ein Händler, Fitnessstudio oder Wirt also Ansprüche danach hatte, hätten andere Branchen womöglich gänzlich durch die Finger geschaut. Ein Möbelhersteller, der nichts mehr an den Handel verkaufen kann oder ein Caterer, bei dem die Fluglinien alle Aufträge storniert haben, hätte schlechte Karten in der Frage der Kompensation. Allerdings legen manche Experten den Entschädigungsparagrafen nach Epidemiegesetz recht weit aus und bejahen auch bei indirekten Schäden die Ansprüche.

Der Verfassungsgerichtshof behandelt schon ab kommender Woche das Thema. In der ersten Phase stehen die Chancen für die Kläger schlecht, weil das Höchstgericht Individualanträge meist ablehnt. Erst wenn sie gegen abgelehnte Entschädigungsbescheide Beschwerde einlegen, wird es erfahrungsgemäß ernst. (Andreas Schnauder, 8.6.2020)