Demonstrierende in New York mit Bildern von George Floyd.

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Auch in Kanada gab es Proteste und einen tödlichen Polizeieinsatz gegen eine Ureinwohnerin.

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In Hamburg wurden zum Teil Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt.

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In New York verliefen die Proteste weitgehend ruhig,

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Washington/Montreal – Nach weitgehend friedlichen Protesten gegen Rassismus und Polizeibrutalität hat New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio eine nächtliche Ausgangssperre früher als geplant wieder aufgehoben. Auslöser für die landesweiten Proteste in den USA war der Tod des Afroamerikaners George Floyd während eines brutalen Polizeieinsatzes.

"New York City: Wir heben die Ausgangssperre mit sofortiger Wirkung auf", schrieb de Blasio am Sonntag auf Twitter. "Gestern und letzte Nacht haben wir das Allerbeste unserer Stadt gesehen." Die nächtliche Ausgangssperre war am Montag eingeführt worden. Sie hatte zunächst von 23.00 Uhr und dann von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr gegolten. Sie war ursprünglich auch noch für die Nacht auf diesem Montag angesetzt.

Trump kündigt an, Nationalgarde abzuziehen

US-Präsident Donald Trump kündigte am Sonntag über Twitter an, die Nationalgarde aus Washington D.C. abzuziehen, weil alles "unter perfekter Kontrolle ist". Er schreibt aber auch, dass sie schnell wieder zurückkehren können, wenn sie gebraucht werden.

Am Samstagabend seien "viel weniger Demonstranten erschienen als erwartet". Tausende Demonstranten hatten am Samstag vor dem Weißen Haus und andernorts in Washington protestiert.

Das Weiße Haus, in dem sich Trump am Wochenende aufhielt, war weiträumig abgesperrt; Hubschrauber überflogen die Menge. Viele Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift "Keine Gerechtigkeit, kein Frieden" und knieten immer wieder nieder.

An der National Mall, dem lang gezogenen Park im Herzen Washingtons, hinderten Absperrungen und Uniformierte Demonstranten daran, auf die Stufen des Lincoln Memorials zu gelangen. Dort hatte der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King 1963 seine berühmte Rede "I Have a Dream" (Ich habe einen Traum) gehalten.

Gedenken in North Carolina

Der unbewaffnete Floyd war am 25. Mai in Minneapolis festgenommen worden, weil er mutmaßlich mit Falschgeld Zigaretten gekauft hatte. Ein weißer Polizist drückte dann fast neun Minuten lang sein Knie auf den Nacken des am Boden liegenden Mannes, der mehrfach sagte, er bekomme keine Luft mehr.

Nach einer emotionalen Trauerfeier in Minneapolis am Donnerstag wurde am Samstag in Floyds Heimatstaat North Carolina des getöteten Afroamerikaners gedacht. In der Stadt Raeford versammelten sich Medienberichten zufolge hunderte Menschen, um an Floyds Sarg Abschied zu nehmen.

Biden plant Polizeireformen

Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, will Floyds Tod und die Proteste zum Anlass für Polizeireformen und einen entschlossenen Kampf gegen Rassismus nehmen. Es brauche "längst fällige konkrete Maßnahmen", um dem "systematischen Rassismus" in den USA ein Ende zu bereiten, forderte er am Samstag in einem Gastbeitrag in der "Los Angeles Times".

George Floyd dürfe nicht nur einfach ein weiterer Hashtag werden, schrieb Biden auf Twitter.

Biden versprach, als Präsident in seinen ersten 100 Tagen im Amt eine Kommission für Polizeireformen einzusetzen. Zudem solle der Kongress schon jetzt handeln und umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen verbieten. Auch müsse der Transfer von Waffen und Ausrüstung des Militärs an die Polizei gestoppt und die Kontrolle über örtliche Sicherheitskräfte verstärkt werden, forderte Biden.

In Raeford, North Carolina, fand eine Trauerfeier für George Floyd statt.
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Minneapolis verbietet Würgegriff

Die Polizei in Minneapolis hatte am Freitag angekündigt, Beamten den Würgegriff zu verbieten, der bereits 2014 in New York zum Tod des Schwarzen Eric Garner geführt hatte. Der Polizeichef von Seattle erklärte angesichts neuer Demonstrationen an, 30 Tage auf den Einsatz von Tränengas zu verzichten. Andere US-Bundesstaaten kündigten ebenso Reformen an.

In Washington hatte Bürgermeisterin Muriel Bowser am Freitag einen Straßenabschnitt nahe des Weißen Hauses nach der Anti-Rassismus-Bewegung "Black Lives Matter" ("Das Leben von Schwarzen zählt") benannt. Die Politikerin der Demokraten, die selbst Afroamerikanerin ist, ließ den Satz in riesigen gelben Buchstaben auf die 16. Straße im Zentrum der US-Hauptstadt schreiben.

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Der nach der "Black Lives Matter"-Bewegung benannte Straßenabschnitt war wieder gefüllt.
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Die Gegend hatte in dieser Woche eine besondere symbolische Bedeutung bekommen: Sicherheitskräfte gingen am Montag an der Ecke der 16. Straße und der H-Straße gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor, die nach dem Tod Floyds gegen Rassismus und Polizeigewalt protestierten. Offenbar sollte damit Platz gemacht werden für Trump, der anschließend zu einer an der Ecke gelegenen Kirche lief, die am Vorabend bei Protesten beschädigt worden war.

Vor dem Gotteshaus ließ sich Trump dann mit einer Bibel in der erhobenen Hand fotografieren. Kritiker warfen dem Präsidenten vor, für einen Fototermin einen gewaltsamen Einsatz gegen friedliche Demonstranten angeordnet zu haben. Justizminister Bill Barr bestritt jedoch, dass der Polizeieinsatz mit Trumps Besuch der Kirche zu tun gehabt habe.

Trump setzt im Umgang mit Ausschreitungen am Rande der Floyd-Demonstrationen auf eine harte Linie und hat sogar einen Militäreinsatz angedroht. Beobachter prangern einen zunehmend autoritären Kurs des Präsidenten an, der sich im November für eine zweite Amtszeit wählen lassen will.

Mehr Republikaner sehen USA auf dem falschen Weg

Fünf Monate vor der US-Wahl sind immer weniger Anhänger der Partei von Präsident Donald Trump von der Richtung überzeugt, die das Land in Zeiten der Coronakrise, des wirtschaftlichen Abschwungs und der Massenproteste gegen Rassismus und Polizeigewalt einschlägt.

Nur noch 46 Prozent der Amerikaner, die sich als Republikaner bezeichnen, geben in einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos an, dass sich die USA ihrer Auffassung nach noch auf dem richtigen Weg befinden. Es ist das erste Mal, dass der Wert so niedrig ausfällt, seit es im August 2017 bei einem von Rechtsextremen organisierten Protestmarsch in Charlottesville zu Ausschreitungen kam und eine Gegendemonstrantin getötet wurde. Anfang März, also kurz bevor in großen Teilen der USA die Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie angeordnet wurden, hatten sich noch etwa 70 Prozent optimistisch geäußert.

37 Prozent der befragten Anhänger der Republikaner sind laut der aktuellen Erhebung der Meinung, dass das Land auf dem falschen Weg ist. 17 Prozent davon geben an, sie würden Trumps demokratischen Herausforderer Joe Biden wählen, fände die für November angesetzte Präsidentenwahl heute statt. 63 Prozent wollen aber immer noch für Trump stimmen. Trumps eigene Beliebtheitswerte verharren bei 40 Prozent.

Fox News entschuldigte sich für umstrittene Grafik

Gar für landesweite Empörung sorgte am Freitag eine Grafik in der Sendung "Sonderbericht mit Bret Baier". Sie zeigte, wie die Aktienkurse in den vergangenen Jahrzehnten nach Gewalttaten gegen Afroamerikaner stiegen. Der Sender wählte dafür unter anderem die Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King im Jahr 1968, die Tötung des schwarzen Teenagers Michael Brown durch einen Polizeibeamten im Jahr 2014 sowie den jüngsten Tod des unbewaffneten Floyd.

"Die Grafik macht deutlich, dass Fox News das Leben von Schwarzen egal ist", schrieb der Kongressabgeordnete von Illinois, Bobby Rush, im Online-Dienst Twitter. "Auf diese Weise trauern sie bei Fox News um den Verlust schwarzer Männer – indem sie zeigen, um wie viel die Aktien steigen. Was zur Hölle?", kommentierte der ehemalige Vorsitzende des republikanischen Nationalkomitees, Michael Steele.

Nun hat sich Fox News dafür entschuldigt. Die Infografik "hätte nie ohne Kontext im Fernsehen ausgestrahlt werden dürfen", teilte der Sender mit. "Wir entschuldigen uns für die Unsensibilität des Bildes und nehmen das Thema ernst."


Tödlicher Polizeieinsatz in Kanada

Inmitten der Proteste in den USA sorgt im Nachbarland Kanada ein tödlicher Polizeieinsatz gegen eine Ureinwohnerin für Entrüstung. Die Ureinwohner-Organisation Congress of Aboriginal People (CPA) forderte am Samstag eine unabhängige Untersuchung zum Tod der 26-jährigen Chantel Moore, die am Donnerstag von einem Polizisten erschossen worden war.

Untersucht werden müssten auch die "anhaltenden" Vorurteile und der Rassismus gegenüber Ureinwohnern in der kanadischen Polizei und Justiz, hieß es. Die 26-jährige Moore wurde am Donnerstag in Edmundston in der ostkanadischen Provinz New Brunswick von einem Polizisten erschossen. Ein Verwandter hatte die Polizei gerufen und sie gebeten, nach der jungen Frau zu schauen. Nach Angaben der Polizei bedrohte Moore den Beamten mit einem Messer. Nach Angaben der Familie feuerte der Polizist fünf Schüsse ab, um die junge Frau zu überwältigen.

Vom Hilferuf zur Gerichtsmedizin

Moores tragischer Tod habe allen Kanadiern vor Augen geführt, dass die Ureinwohner Kanadas von Polizei und Justiz anders behandelt würden, sagte CPA-Chef Robert Bertrand. Auch die Ureinwohner-Organisation Assembly of First Nations (AFN) forderte zusätzlich zu den bereits eingeleiteten Ermittlungen eine unabhängige Untersuchung zu Moores Tod. "Wie kann ein Hilferuf zu einem Fall für die Gerichtsmedizin werden?", fragte AFN-Chef Perry Bellegarde.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte am Freitag in Ottawa selbst an einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt teilgenommen und mit einem Kniefall vor tausenden Demonstranten ein Zeichen gesetzt. Auch in Kanada hätten "viel zu viele" Menschen Angst vor der Polizei, sagte Trudeau. Durch die Ereignisse in den USA sei vielen Kanadiern klar geworden, dass Diskriminierung auch für viele ihrer Landsleute immer noch "gelebte Realität" sei.

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Bei der Demonstration in Berlin kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeibeamten.
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Polizisten eingekesselt

Bei Ausschreitungen nach einer Demonstration in Berlin sind in der Nacht auf Sonntag 93 Menschen festgenommen worden. Insgesamt wurden 28 Einsatzkräfte leicht verletzt, von denen drei nach ambulanter Behandlung ihren Dienst abbrachen, wie die Polizei mitteilte.

Nach Beendigung einer Kundgebung versammelten sich den Angaben zufolge mehrere hundert Menschen am Alexanderplatz und kesselten dabei auch Polizisten ein. Nach der Festnahme eines Mannes nach einer Sachbeschädigung seien Flaschen und Steine gegen Polizisten und Passanten geworfen worden, hieß es. Dabei seien sowohl Einsatzkräfte als auch ein freier Pressefotograf verletzt worden.

Zuvor hatten am Alexanderplatz 15.000 Menschen friedlich gegen Rassismus demonstriert. Auf Intervention der Polizei beendeten die Veranstalter allerdings wegen der großen Menschenmenge die Veranstaltung. Angesichts der hohen Teilnehmerzahl war die Einhaltung der Corona-Abstandsregeln nicht mehr möglich gewesen.

Zu "Silent Demo" aufgerufen

Auch bundesweit demonstrierten zehntausende Menschen gegen Rassismus und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe. Afrodeutsche Initiativen hatten in rund 20 Städten zu den Protesten unter dem Motto "Silent Demo" aufgerufen. Größere Demonstrationen fanden neben Berlin auch in München, Hamburg, Köln und Frankfurt statt.

Auch in Hamburg kam es im Anschluss an die friedlichen Proteste in der Innenstadt zu Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe Demonstranten und der Polizei. Aus der Gruppe heraus sei Pyrotechnik gezündet worden, sagte eine Sprecherin. Zwei Beamte wurden laut Polizei verletzt. Einige Vermummte hätten Banner entrollt mit der Aufschrift "Bullenschweine" und "ACAB", was für "All cops are bastards" ("Alle Polizisten sind Bastarde") steht. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um den Platz zu räumen.

Zwischenfälle gab es auch nach den Demonstrationen gegen Rassismus mit weit über 10.000 Teilnehmern in Baden-Württemberg in Stuttgart. Wie die Polizei mitteilte, hatten sich nach der eigentlichen Kundgebung mehrere einzelne Aufzüge formiert. "Die Stimmung in den Aufzügen war teils sehr aggressiv", hieß es. Die Einsatzkräfte seien mehrfach mit Gegenständen beworfen und Pyrotechnik sei gezündet worden.

In Österreich hatten in Wien am Donnerstag und Freitag zwei Demonstrationen stattgefunden, die seitens der Teinnehmer beide friedlich abliefen. Am Donnerstag hatten sich dazu in Wien mehr als 50.000 Menschen versammelt. Am Samstag in Graz demonstrierten rund 10.000 Menschen, auch in Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt gab es Kundgebungen. (APA, 7.6.2020)