Justizministerin Alma Zadic (Grüne) mit WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda. Beide erfuhren erst aus den Medien, dass die Soko Tape das Ibiza-Video gefunden hatte.

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Der erste Auftrag der Oberstaatsanwaltschaft an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist klar: Man müsse das Ibiza-Video finden und auswerten. Das gibt die WKStA, gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien), an ihre polizeilichen Ermittler der Soko Tape weiter. Fast ein Jahr später wird das Video gefunden – aber die Soko gibt nur der StA Wien Bescheid, die WKStA erfährt von diesem Ermittlungserfolg aus den Medien. Ebenso wie die Justizministerin.

Seither stellt sich einmal mehr die Frage, warum die Beziehung zwischen Soko und WKStA so lädiert ist. Dafür gibt es aktuelle und historische Gründe. Prinzipiell sind die Korruptionsstaatsanwälte im Innenministerium wegen mehrerer Ermittlungsverfahren nicht besonders wohlgelitten. Sie haben beispielsweise gegen zwei Sektionschefs im Innenministerium Anklage erhoben, und zwar in der Causa Stadterweiterungsfonds. Dazu kommt das Vorgehen in der BVT-Affäre, wo sich die WKStA eng mit dem Umfeld des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) absprach. Viele hochrangige Mitarbeiter im Ministerium haben den Eindruck, die WKStA habe es auf ÖVP-nahe Beamte abgesehen. Allerdings gibt es auch wenig andere Farbtupfer im Innenressort, dafür immer wieder Verdachtsmomente.

WKStA warnt vor Befangenheit der Ermittler

Das ist die Vorgeschichte – aber auch beim aktuellen Zwist spielt eine angebliche Parteizugehörigkeit eine Rolle. So befürchtete die WKStA offenbar, dass ÖVP-nahe Polizisten die Ermittlungen zum Ibiza-Video durchführen. Auslöser der Skepsis war der Polizist N.R., der nicht nur mit Strache Sympathie-SMS schrieb und ihn später einvernahm, sondern einst für die ÖVP bei einer Gemeinderatswahl kandidiert hatte. N.R. verließ die Soko im August 2019; zuvor war er unter anderem für die Ermittlungen in der Schredderaffäre zuständig. Ihm wird von der WKStA vorgeworfen, hier auf die Sicherstellung von Handys und Laptops in der Causa verzichtet zu haben.

In einem Bericht der Soko, über dessen Inhalte am Samstag "Die Presse" zuerst berichtet hat, wird die Causa anders dargestellt. Dort heißt es, dass die zuständige Staatsanwältin in der WKStA "keine Anordnung zur Sicherstellung von Mobiltelefonen o.Ä. anordnete". Außerdem beschwert sich Soko Tape-Leiter Andreas Holzer, dass der "Falter" vor der Soko Tape "über den Sachverhalt verständigt wurde" – ob von einem Mitarbeiter WKStA oder anderen Beteiligten, etwa der Firma Reißwolf, ist unklar und vom Redaktionsgeheimnis geschützt. Auch die Ermittlungen zur Casinos-Affäre verliefen disharmonisch. "Die WKStA setzt ohne Rücksprache mit den jeweils zuständigen Beamten der Soko Tape Ermittlungsschritte", heißt es im Soko-Bericht.

Soko fragt nach Zulässigkeit von "Hintergrundrecherchen"

Die Polizei wirft der WKStA vor, "Hintergrundrecherchen und Überprüfungen zu einzelnen Beamten der Soko Tape" durchgeführt zu haben – ohne klare rechtliche Grundlage; obwohl es zur Frage der Befangenheit bereits klärende Gespräche mit dem damaligen Justizminister Clemens Jabloner gegeben habe.

Seit vergangenen Sommer gab es immer wieder gegenseitige Vorwürfe bei einzelnen Ermittlungsschritten. Die Soko Tape moniert etwa, dass der einstige Vizekanzler Heinz-Christian Strache während der Hausdurchsuchung gemeinsam mit dem zuständigen WKStA-Staatsanwalt einzelne Chats löschen durfte. "Auch wenn dies grundsätzlich nicht den Bestimmungen der Strafprozessordnung widerspricht, ist diese Vorgehensweise nicht im Sinne einer gemeinsamen, vertrauensvollen und abgestimmten Kooperation", so der Soko-Chef in seinem Bericht.

All das führte wohl dazu, dass die Soko Tape alles andere als motiviert war, der WKStA sofort über den Fund des Ibiza-Videos Bescheid zu geben. Ob sie das musste, ist derzeit Gegenstand intensiver Debatten. Fakt ist, dass die Hausdurchsuchung, bei der das Video gefunden wurde, von der StA Wien in Auftrag gegeben wurde – die wurde dann auch prompt informiert. Fakt ist ebenso, dass die StA Wien jederzeit sowohl die Justizministerin als auch die WKStA informieren hätte können. Das gilt aber auch für das Innenressort und dessen Leiter Karl Nehammer (ÖVP), der sich im U-Ausschuss zehn Minuten davor wand, eine konkrete Antwort zu geben. Dann gab er doch Bescheid, er habe "nicht im Detail und nicht explizit" mit seiner Regierungskollegin Alma Zadic über den Videofund gesprochen. Wie diese dann präzisierte: Er hat gar nicht mit ihr darüber gesprochen. (Fabian Schmid, 7.6.2020)