Auch für ältere Personen sind barrierefreie Wohnungen von zentraler Bedeutung.

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Das Thema sorgte vergangenen Sommer für einen der ganz seltenen Koalitionskonflikte in der ÖVP-geführten Salzburger Landeskoalition. Ohne den grünen Koalitionspartner auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten, stellten sich Raumordnungslandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) und seine Neos-Wohnbaukollegin Andrea Klambauer vor die Medien und verkündeten ein Programm zum kostengünstigeren Bauen von dringend benötigten Kleinwohnungen.

Das Problem dabei: Neben der Reduzierung diverser Mindeststandards für Keller, Waschküche, Kinderspielplatz oder Ähnliches war auch eine Abkehr von der verpflichtenden Barrierefreiheit im geförderten Mietwohnbau vorgesehen. Die Empörung bei den Grünen war groß, und sie präsentierten Studien, denen zufolge die Barrierefreiheit nur 1,26 Prozent der Gesamtbaukosten ausmache. Jedenfalls werde es mit den Grünen "keine Einschränkung der Barrierefreiheit geben", sagte damals Landtagsklubobfrau Kimbie Humer-Vogl.

Maßnahmengesetz "kostenreduzierter Wohnbau"

Inzwischen sind rund zehn Monate ins Land gezogen, das koalitionäre Sommergewitter vergessen, und es liegt ein Maßnahmengesetz der Koalition für bis 2025 befristete Sonderregelungen für "Kostenreduzierte Wohnbauten" zur Begutachtung vor. Darin enthalten sind Regelungen wie etwa eine verpflichtende Wohnüberbauung bei Supermarkterweiterungen, die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen an den Siedlungsgrenzen ins Grünland hinauszubauen, und eine Reduktion der baurechtlichen Auflagen in Sachen Barrierefreiheit auf das Erdgeschoß, wenn beispielsweise ein späterer Lifteinbau technisch möglich bliebe.

50 Wohnungen pro Jahr

Das Gesetz gilt für Kleinstwohnungen mit 45 beziehungsweise 65 Quadratmeter und soll noch diesen Juli vom Landtag verabschiedet werden. Der "Erfinder" dieses Programms, Raumordnungslandesrat Schwaiger (ÖVP), hofft so etwa zehn Prozent der pro Jahr vorgesehenen 900 geförderten Mietwohnungen "zusätzlich" (Schwaiger) auf den Markt zu bringen. Das wären bis zu 50 vorwiegend für junge Menschen reservierte Wohnungen, sagt Schwaiger. Wobei er einräumt, dass das bisher im Salzburger Wohnbauprogramm anvisierte Ziel von 900 geförderten Mietwohnungen auch nie erfüllt worden ist.

Einigermaßen irritiert zeigt sich Schwaiger im STANDARD-Gespräch über die heftige Kritik vonseiten der Behindertenorganisationen. "Von der Landesregierung wird hier in unzulässiger Weise Barrierefreiheit als Hauptursache der hohen Wohnungspreise im Bundesland Salzburg verantwortlich gemacht", sagt zum Beispiel der Präsident des Österreichischen-Behindertendachverbands (ÖZIV), Herbert Pichler.

UN-Konvention

Dem Gesetzesentwurf liege die falsche Annahme zugrunde, dass Barrierefreiheit ein wesentlicher Kostentreiber im Wohnbau sei. Tatsächlich wäre aber schon mehrfach wissenschaftlich bewiesen, dass die Mehrkosten durch Barrierefreiheit gering seien, wenn Barrierefreiheit bereits bei der Planung berücksichtigt werde, meint Pichler.

Vonseiten der Behindertenverbände überlegt man nun, für den Fall eines Gesetzesbeschlusses in Salzburg mit Verweis auf die einschlägigen UN-Konventionen die Gremien der Vereinten Nationen mit der Causa zu befassen.

450 Euro/Monat

Schwaiger kontert mit dem Recht der Jugend auf Wohnraum. Viele könnten sich Mietwohnungen mit 700 Euro pro Monat einfach nicht leisten, nach seinem Modell kämen die Kleinstwohnungen mit 45 Quadratmetern und zwei Zimmern auf rund 450 Euro im Monat – inklusive Betriebskosten. Er springe hier als Lobby für die Jungen in die Bresche.

Seit 1992 wären im Land Salzburg jedenfalls ausschließlich barrierefreie Mietwohnungen gefördert errichtet worden, der Anteil liege nun bei sieben bis acht Prozent insgesamt. Die 50 zusätzlichen Kleinstwohnungen pro Jahr würden die Wohnungsstruktur nicht wesentlich verändern. (Thomas Neuhold, 9.6.2020)