Warum soll in einer Zeit, in der Kleinunternehmer um jeden Euro Hilfe ringen müssen, die Tochter eines deutschen Konzerns mit Hunderten Millionen Euro gerettet werden? Diese Frage haben sich in den vergangenen Wochen, in denen die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines mit der Bundesregierung um einen Staatszuschuss verhandelt hat, viele gefragt. Dazu kommt, dass Fluglinien als große Klimasünder gelten und vor allem für junge Menschen zum Feindbild geworden sind.

Doch die AUA ist nicht irgendein Unternehmen. Sie trägt entscheidend zur Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort, Kongressschauplatz, Touristendestination und auch als Platz zum Leben bei. Ohne die rot-weiß-rote Fluglinie hätte der Flughafen Wien viel weniger Direktverbindungen, und man müsste noch viel öfter in München, Frankfurt oder Amsterdam umsteigen. Ohne die AUA hätte Wien seine Stellung als Ost-Drehscheibe längst verloren. Und das dichte Netz an Flügen von Wien aus weit in den Osten hinein ist einer der Motoren der europäischen Integration.

Die AUA trägt entscheidend zur Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort bei.
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Vor dem Lockdown war die AUA unter dem Dach der Lufthansa profitabel und kann es in Zukunft wieder werden. Auch betriebswirtschaftlich ist die Staatshilfe daher gerechtfertigt.

Das heißt nicht, dass Österreichs Interessen durch die Einigung mit der Lufthansa am besten gedient ist. Der Staat zahlt fast um die Hälfte weniger, als die AUA ursprünglich verlangt hat, auch weil die deutsche Mutter selbst noch 150 Millionen Euro an Kapital einschießt. Dafür verzichtet die Republik auf eine Beteiligung bei Lufthansa oder AUA. Das ist ganz im Sinne des Managements, das möglichst wenig Staatseinfluss wünscht, könnte aber Österreichs Position in Zukunft schwächen. Denn der deutsche Staat wird im Gegenzug für sein Neun-Milliarden-Hilfspaket Großaktionär bei seiner Airline.

Corona-Wiederaufbauplan

Die strikten Klimaschutz- und Umweltauflagen klingen vernünftig, solange sie die AUA nicht durch hohe Mehrkosten im Wettbewerb schwächen. Denn selbst wenn ein zukünftiges Anti-Dumping-Gesetz verhindert, dass Billigkonkurrenten wie Ryanair oder Wizz Air Flüge zu Spottpreisen anbieten, können diese leicht nach Bratislava oder Budapest ausweichen. Entscheidend wäre, dass sich die Regierung für einheitliche Rahmenbedingungen in der EU einsetzt, etwa für eine europaweite Kerosinsteuer, wie sie der Corona-Wiederaufbauplan der Kommission vorsieht.

Vor allem bei der langfristigen Sicherung des Standorts Wien kann es trotz Zehnjahresgarantie schwierig werden. Denn von bayerischer Seite steht die Lufthansa unter Druck, möglichst viel aus München heraus anzufliegen – das Drehkreuz Wien-Schwechat zwar nicht aufzugeben, aber auszuhöhlen, vor allem bei Langstreckenflügen. Und in solche Detailentscheidungen wird sich die Republik kaum einmischen können. Vielleicht wäre ein höherer Zuschuss mit mehr Mitspracherechten besser gewesen.

So problematisch die Luftfahrt aus der Klimaperspektive auch ist – für den Großteil der Österreicher ist das Fliegen aus ihrem Leben nicht wegzudenken, sei es für Berufs-, Urlaubs- oder Bildungszwecke. Bei den meisten Destinationen kann die Bahn leider nicht konkurrieren, Billigflieger und andere nationale Airlines könnten die AUA nicht ersetzen. Die 450 Millionen Euro an Staatshilfe sind grundsätzlich gut angelegt. Ob das Kleingedruckte passt, wird man erst sehen. (Eric Frey, 8.6.2020)