Es ist nicht so, dass der Wiener SPÖ für ihr Wahlprogramm etwas ganz Neues, noch nie Gedachtes oder Sensationelles eingefallen wäre. Es ist eher ein "Bestes aus beiden Welten", um eine Metapher aus der türkis-grünen Koalitionswelt zu strapazieren. In diesem Fall ist es eine rot-grüne Wiener Melange mit einem klaren Schwerpunkt auf sozialdemokratischen Kernthemen. Michael Ludwigs Programm für den Urnengang im Oktober ist ein tiefrotes Best-of mit vielen grünen Tupfen.

Das ist nach der ersten Phase der Corona-Pandemie, da sich die gesamtwirtschaftlichen und sozialen Folgen des Lockdowns zu zeigen beginnen, prinzipiell nicht die schlechteste Idee. Lehrlingsoffensive, der Ausbau der Gesundheits-Notrufnummer, Gratis-Ganztagsschule, Gratis-Öffi-Tickets über den Sommer und ein massiver Ausbau von städtischen Ausbildungsstellen für Lehrlinge kommen bei vielen Wählerinnen und Wählern sicher gut an.

Die Wiener SPÖ hat sich inhaltlich breit aufgestellt.
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Die Gefahr ist zudem gering, dass die politische Konkurrenz – in dem Fall vor allem die ÖVP – damit durchkommen würde, ihrerseits mit der Verdammung "roter Schuldenpolitik" Wahlkampf zu machen. Das wäre, angesichts des Versprechens von Sebastian Kurz, man werde die Wirtschaft "koste es, was es wolle" stützen, eher unglaubwürdig. Obwohl: Zu hinterfragen gäbe es genügend – über den Sinn von Gastro-Gutscheinen kann man trefflich streiten.

Klares Signal

Zu erwarten ist jedenfalls, dass im Wiener Wahlkampf debattiert wird, wessen Hilfen früher und zielgerichteter ankommen – des Bundes oder Wiens. Angekündigt hat sich das schon in der Frühphase der Corona-Hilfspakete. Damals setzte Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke eigene Akzente für die Wirtschaft, was als klares Signal an bürgerliche Wählerschichten zu werten war. Dazu kommen im Wahlprogramm Radwege, Ausbau der Öffis und erneuerbarer Energie: Das richtet sich wiederum an Wähler, die von der grünen Performance in der Bundesregierung enttäuscht sind.

Die Wiener SPÖ hat sich inhaltlich breit aufgestellt – und betont dabei ihre roten Kernkompetenzen. Das mag für die rote Rathaus-Riege gut passen; ob die Bundespartei daraus etwas für ihre eigene inhaltliche Neuausrichtung lernen kann, ist allerdings fraglich.

Wie die Haltung der SPÖ zu schwierigen Fragen im Bereich Migration und Integration aussieht, erfährt man aus dem Wahlprogramm der Wiener Sozialdemokraten nicht. Wie tief die ökologische Bekehrung geht, erst recht nicht – der schon lange geplante Bau des Lobautunnels, einst ein wildes Streitthema zwischen SPÖ und Grünen in Wien, wird im Wahlprogramm mit keinem Wort erwähnt.

Gerade ist aber eine Neuausrichtung in der Politik dringend notwendig. Österreichs Wirtschaft muss nach der Corona-Krise wieder rasch auf die Beine kommen. Wie nachhaltig und zukunftsorientiert das geschieht, wie neue Arbeitsplätze geschaffen werden können und wie die Forschung dabei helfen kann: Das auszutüfteln wäre eine lohnende Aufgabe – nicht nur für Sozialdemokraten. (Petra Stuiber, 8.6.2020)