US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden will die Polizei reformieren, aber nicht mit weniger Mitteln ausstatten.

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Der Tod des Afroamerikaners George Floyd markiert nach Ansicht des designierten Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Joe Biden, einen Wendepunkt in der Geschichte der USA. Der Ex-Vizepräsident hatte am Montag mit seiner Frau Jill in Houston für rund eine Stunde Angehörige Floyds getroffen, darunter dessen sechs Jahre alte Tochter Gianna.

Sie hatte kürzlich gesagt, ihr Vater habe die Welt verändert. "Ich denke, ihr Vater wird die Welt verändern", sagte Biden dem Sender CBS in Anspielung auf Giannas Aussage. "Ich denke, was hier passiert ist, ist einer dieser großen Wendepunkte in der amerikanischen Geschichte, was bürgerliche Freiheiten, Bürgerrechte und die gerechte Behandlung von Menschen mit Würde betrifft."

Gegen Forderung der Demonstranten

Biden sprach sich klar gegen die drastische Einkürzung der Finanzierung der Polizeibehörden aus – eine Forderung, die bei den Protesten seit Floyds Tod zunehmend Widerhall findet. Vielmehr unterstütze er, Bundesmittel an Bedingungen zu knüpfen, nämlich daran, ob die Polizei "bestimmte grundlegende Standards von Anstand und Ehrenhaftigkeit" erfülle, sagte Biden. Konkreter wurde er nicht. CBS zeigte nur einen Ausschnitt aus dem Interview, das zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt werden soll. Biden sei für die Reform der Polizei, so ein Sprecher.

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"Defund the police" – eine Forderung vieler Demonstrierender in den USA. Biden will dem aber nicht nachkommen.
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Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten trete ferner dafür ein, die Mittel für staatliche Schulen sowie die Therapie von Drogenabhängigen aufzustocken, erläuterte der Sprecher Bidens. Präsident Donald Trump hat seinem voraussichtlichen Rivalen bei der Wahl im November fälschlicherweise vorgeworfen, landesweit die Mittel für die Polizei kürzen zu wollen.

Seit der 46-jährige Floyd am 25. Mai bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota getötet worden ist, kommen die USA nicht zur Ruhe. Täglich gehen Menschen in US-Städten auf die Straße, um gegen Polizeigewalt, Rassismus und Ungleichheit zu demonstrieren. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des auf dem Boden liegenden Floyd gedrückt. Floyd war wegen des Verdachts, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden.

Weiße Polizeichefin tritt zurück

Nachdem Minneapolis seine lokale Polizei auflösen will und weitere US-Bundesstaaten Reformen angekündigt hatten, trat nun die weiße Polizeichefin von Portland im US-Staat Oregon zurück. Sie sei Forderungen nach Veränderungen gefolgt, schrieb Jami Resch am Montag auf Twitter, der von ihr bestimmte Nachfolger ist schwarz.

Die Veränderung in der Führung der Polizeibehörde "kommt von Herzen". Resch hatte nach lokalen Medienberichten ihren Job erst vor weniger als sechs Monaten angetreten und nun Leutnant Chuck Lovell gefragt, ob er sie ersetzen wolle. "Es wird schwierig. Ich mache mir keine Illusionen", sagte Lovell am Montag bei einer Pressekonferenz. Es sei aber auch schwierig, jeden Tag auf die Straße zu gehen und Gerechtigkeit einzufordern.

Begräbnis Floyds

Vor der Beisetzung Floyds nahmen hunderte Menschen Abschied. Floyds Sarg wurde am Montag in der Kirche The Fountain of Praise in Houston im US-Staat Texas aufgebahrt. Hunderte Menschen kamen am Montag in Houston in die Kirche, in der Floyds geöffneter Sarg aufgebahrt war. Viele Trauernde gingen kurz in die Knie, bekreuzigten sich oder senkten den Kopf im stillen Gebet. Vor der Kirche bildete sich eine lange Schlange. Wegen der Coronavirus-Pandemie war das Tragen von Schutzmasken Pflicht.

Auch Biden habe sich mit Angehörigen Floyds getroffen. Mehr als eine Stunde lang habe das Treffen in Houston gedauert, erklärte der Anwalt der Familie, Benjamin Crump, am Montag. "Er hörte zu, hörte ihren Schmerz und teilte ihr Leid", sagte Crump über das private Treffen vor der Beisetzung Floyds.

Der Sarg von George Floyd wurde in Texas aufgebahrt.
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Trump hatte vergangene Woche ebenfalls mit Floyds Familie telefoniert. Floyds Bruder Philonise bezeichnete in einem Interview das Gespräch als "knapp" – Trump hätte ihm keine Gelegenheit gegeben, viel zu sagen.

Erste Anhörung des Polizisten

Im US-Staat Minnesota fand unterdessen die erste Anhörung des wegen der Tötung Floyds angeklagten weißen Polizisten statt. Er könnte bis zu einem Urteil auf Kaution aus dem Gefängnis kommen.

Mindestens eine Million Dollar (882.612,53 Euro) müssten für die vorläufige Freilassung des Angeklagten als Sicherheit hinterlegt werden, teilte das zuständige Gericht mit. Einem entsprechenden Dokument zufolge wurde in der Anhörung festgesetzt, dass er den Bundesstaat nicht verlassen und nicht als Polizist arbeiten dürfe. Zudem dürfe er keinen Kontakt zu Floyds Familie haben und müsse seine Schusswaffen abgeben. Dem Nachrichtensender CNN zufolge erschien der Angeklagte nicht persönlich vor Gericht, sondern wurde per Video zugeschaltet und trug die in den USA übliche orange Sträflingskleidung.

Erste politische Reaktionen

Die US-Demokraten im Kongress stellten am Montag einen Gesetzesentwurf gegen Polizeigewalt vor. Der Entwurf sehe unter anderem eine einfachere Strafverfolgung bei polizeilichem Fehlverhalten vor, sagte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Polizeigewalt solle außerdem etwa durch den verstärkten Einsatz von Körperkameras bekämpft werden. Umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen sollten verboten werden.

Trump prüft seiner Sprecherin zufolge mehrere Vorschläge, die als Reaktion auf den gewaltsam Tod George Floyds gemacht wurden. Der von den Demokraten vorgelegte Gesetzesentwurf gegen Polizeigewalt enthalte jedoch inakzeptable Punkte, sagte Kayleigh McEnany am Montag. Trump warf den Demokraten vor, den Polizeibehörden im Land die Finanzierung zusammenstreichen und die Polizei "abschaffen" zu wollen. Der Präsident schrieb in Großbuchstaben auf Twitter: "Recht und Ordnung." Er fügte hinzu: "Die radikalen linken Demokraten sind verrückt geworden!" Die Demokraten "würden Amerika zerstören".

In Minneapolis will nun eine Mehrheit des Stadtrats Berichten zufolge die örtliche Polizei durch eine neue Organisation für öffentliche Sicherheit ablösen. In seiner gegenwärtigen Aufstellung sei das Minneapolis Police Department nicht mehr reformierbar, erklärten neun von zwölf Stadträten nach Angaben des örtlichen Senders KTSP. Auch im US-Staat New York soll es Reformen bei der Polizei geben, so sollen etwa Würgegriffe durch Einsatzkräfte verboten werden. (APA, 9.6.2020)