Der australische Nachtsittich zählt zu den seltensten und mysteriösesten Vögeln der Welt. Vieles ist über den auch Höhlensittich genannten Papagei (wissenschaftlicher Name: Pezoporus occidentalis) unbekannt. Klar ist: Er ist nachtaktiv, lebt hauptsächlich am Boden, kann gut laufen und ist Menschen seit langer Zeit so gut wie nie begegnet. Nun haben Forscher eine erstaunliche Erkenntnis gewonnen: Der gelblich-grüne Vogel kann in der Dunkelheit nicht wirklich besser sehen als seine tagaktiven Verwandten.

Menschen bekommen den seltenen Nachtsittich so gut wie nie zu Gesicht – das macht seine Erforschung nicht gerade einfach.
Foto: Steve Murphy/Charles Darwin University

Rarer Vogel im CT

Nachtsittiche sind neben den neuseeländischen Kakapo-Papageien die einzige nachtaktive Papageienart. Über Jahrzehnte galten die Sittiche als ausgestorben. Die meisten Zeugnisse dieser Spezies stammen aus dem 19. Jahrhundert. Zwischen 1912 und 1979 gab es keinen einzigen Nachweis für das Überleben des Nachtsittichs, seither gab es einige wenige Sichtungen und Spuren. So wurde 1990 ein überfahrenes Exemplar entdeckt – tot, aber erstaunlich gut erhalten. 2013 legte eine Naturforscher Fotos eines Nachtsittichs vor, den er in Queensland erspäht hatte. 2017 entdeckten Forscher dann nahe des Lake Eyre eine Feder des Vogels.

Nun haben Wissenschafter um Vera Weisbecker von der australischen Flinders University in Adelaide das überfahrene Exemplar erneut untersucht, um mehr über die Biologie des raren Vogels herauszufinden. Sie analysierten den vollständig intakten Schädel des Sittichs per Computer-Tomographie und verglichen 3D-Rekonstruktionen mit denen anderer Papageien, um auf anatomische Besonderheiten schließen zu können.

CT-Aufnahme des untersuchten Nachtsittich-Schädels.
Foto: Rachel Murphy

Überraschend kleines Sehzentrum

Da die Nachtsittiche nach Sonnenuntergang am Boden Futter suchen, dabei Hindernisse überwinden und Feinden ausweichen müssen, sei man davon ausgegangen, dass ihr Sehvermögen gut an die Dunkelheit angepasst ist, erläutern die Forscher im Fachblatt "Scientific Reports". "Stattdessen haben wir herausgefunden, dass das nicht der Fall ist."

Es zeigte sich, dass die Nachtsittiche zwar ähnlich große Augen wie andere Papageien besitzen, ihre Sehnerven aber weniger ausgeprägt sind. Überraschenderweise ist auch der Bereich, der für die Verarbeitung visueller Impulse im Gehirn verantwortlich ist, bei den nachtaktiven Vögeln kleiner.

Schwierige Schutzbemühungen

"Das deutet darauf hin, dass der Nachtsittich keine gute Nachtsicht hat", sagte Aubrey Keirnan von der University of Queensland, Ko-Autorin der Studie. "Sein Sehsinn ist zwar womöglich sensibel, aber er sieht mit einer schlechten Auflösung, wodurch er wahrscheinlich Hindernisse und Feinde schlecht ausmachen und unterscheiden kann."

Die Forscher befürchten, dass die schlechte Nachtsicht ein entscheidender Nachteil für die ohnehin nahezu verschwundenen Vögel ist. "Diese Art ist so schwer zu finden, dass wir nicht einmal schätzen können, wie viele Exemplare es noch gibt", sagte Andrew Iwaniuk von der kanadischen University of Lethbridge. "Um ihren Fortbestand sichern zu können ist es entscheidend, dass wir ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse kennen – obwohl es schier unmöglich ist, sie zu beobachten." (dare, APA, 9.6.2020)