Foto: Showtime / Sky
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Frankenstein ist nicht hier, Van Helsing kommt nicht mehr, und so wie es aussieht, lässt sich auch Dorian Gray nicht wieder blicken. Keiner der romantisch-gruseligen Helden aus der ersten Staffel von Penny Dreadful ist in der Fortsetzung vertreten. Sechs Jahre später reicht der US-Abokanal Showtime neue Folgen der Horrorserie nach und landet mit City of Angels prompt wieder einen Haupttreffer. Zu sehen sind die zehn neuen Folgen auf Sky.

Ritualmorde in L.A.

Das Grauen entsteht dieses Mal aus Verhältnissen, die noch nicht allzu lange zurückliegen und – das wird bald klar – mit der Gegenwart zu tun haben. Schauplatz des Geschehens ist Los Angeles im Jahr 1938. Die Stadt ist wie das gesamte Land tief gespalten. Die USA stehen vor der Kriegserklärung an Deutschland. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lehnt eine solche ab. Populisten, Nazis und Rassisten sind am Wort, es herrscht eine aggressive Grundstimmung.

Penny Dreadful on SHOWTIME

Über all dem wachen zwei dunkle Bräute. Die eine, Santa Muerte, kümmert sich um die Toten, der anderen, Magda, steht der Sinn nach Leid und Schrecken. "Alles, was die Menschen brauchen, um ihr inneres Monster nach außen zu kehren, ist die Erlaubnis dafür", sagt die in Leder gekleidete Teufelin. Ihre Beweise wird sie in mehreren Handlungssträngen erbringen.

Santa Muerte (Lorenza Izzo) kümmert sich um die Toten.
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Da sind zunächst einmal die Toten am noblen Canon Drive in Beverly Hills. "Wir haben vier reiche, weiße Opfer", sagt der Chief. Und damit ein Problem, wie er sofort schlussfolgert: "Ein verdammter Rassenkrieg." Wie er denn darauf käme, dass die Täter Mexikaner seien, fragt der junge Tiago Vega (Daniel Zovatto). Er ist der erste "Chicano" beim LAPD. Die Hinweise sind deutlich: "Ihr nehmt unser Herz, wir nehmen das eure", steht auf Spanisch in Blut geschrieben. Die Leichen haben keine Herzen.

Wie Donald Trump

"Schmeißt sie hinaus", sagt an anderer Stelle der Stadtrat über protestierende Mexikaner, die sich gegen den Bau einer Autobahn wehren, durch den sie ihre Häuser verlieren. Einen kurzen Moment erinnert der Rathaus-Mann mit seinen zugekniffenen Augen und zusammengepressten Lippen an Donald Trump.

Natalie Dormer ist Magda und bringt Leid und Schrecken.
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Und dann ist da noch der deutsche Auswanderer und Kinderarzt (Rory Kinnear), der sich rührend um seine kleinen Patienten kümmert, in seiner Freizeit aber Mitglied einer faschistischen Gruppe ist und laut "America first" ruft, wenn es um den Kriegseintritt der USA geht. Er habe zwei Söhne und würde alles tun, um sie zu beschützen, sagt er: "Wenn auf der Straße eine Schlägerei losgeht, halte ich sie da raus. Warum sollten sie sich im Kampf anderer Leute eine blutige Nase holen?"

Unfrieden überall

Unfrieden stiften in diesen sich radikalisierenden Verhältnissen weiters ein nationalsozialistischer Konspirateur und Geschäftemacher (Thomas Kretschmann) sowie eine einflussreiche Radio-Predigerin (Kerry Bishé). Unter alle mischt sich die böse Magda in verschiedenen Gestalten und holt das Grundüble aus Menschen heraus. Man hat nicht das Gefühl, dass sie allzu viel tun muss.

Der Teufel trägt Prada (vielleicht).
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Die neuen Folgen hat wieder John Logan entworfen. Der Hollywoodregisseur von James-Bond-Filmen hatte eigentlich nach drei Staffeln genug von der Serie, die in den USA und darüber hinaus große Erfolge feierte. Als man ihn fragte, habe er immer abgesagt, erzählte Logan. Er habe dazu einfach nichts mehr zu sagen – bis Donald Trump Präsident wurde. Die brutale Tötung George Floyds, das Verhalten von Polizisten und das des Präsidenten in dieser Situation geben seiner Serie eine zusätzliche, beunruhigende Note: Die Dämonen sind unter uns.

Vielfältige Natalie Dormer

Die vielfältige Magda wird gespielt von Natalie Dormer (Game of Thrones). Sie ist sich ihrer Rolle bewusst und spart in Interviews ebenfalls nicht mit Kritik am gegenwärtigen System: Die Richtung, die in den vergangenen Jahren sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Großbritannien politisch und gesellschaftlich eingeschlagen wurde, findet sie "unglaublich besorgniserregend und verstörend", sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und so wird aus einer unterhaltsamen Fantasyserie mehr: nämlich ein relevantes, zeitgemäßes politisches Statement. (10.6.2020)