In homöopathischen Mitteln ist der Wirkstoff meist so hoch verdünnt, dass er gar nicht nachweisbar ist. Darf man dennoch damit werben?

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Der ursprünglich aus der US-Werbebranche stammende und später von der Informatik übernommene Slogan "What you see is what you get" soll für klare Erwartungshaltungen sorgen. Das, was man sieht, bekommt man auch. Eine deutsche Apotheke will sich ebenso klar an ihre Kunden wenden: Sie benennt die von ihr produzierten sowie vertriebenen homöopathischen Arzneimittel jeweils mit der Bezeichnung des Ausgangsstoffes und dem Grad seiner Verdünnung.

Im konkreten Fall geht es um das homöopathische Arzneimittel "HCG C30 Globuli" beziehungsweise "HCG C30 Tropfen". HCG ist ein Schwangerschaftshormon und soll nach Ansicht von Homöopathen beim Abnehmen helfen. C30 bedeutet eine Verdünnung im Verhältnis 1:10 hoch 60. Das entspricht einem kleinen Molekül des Ausgangsstoffes in einer riesigen Wasserkugel, deren Durchmesser dem Abstand zwischen Erde und Sonne gleicht.

Das rief Skeptiker auf den Plan: Ein Interessenverband sieht die Konsumenten von einer solchen Bezeichnung hinters Licht geführt. Denn nach derzeitigen wissenschaftlichen Methoden ist bei einer so starken Verdünnung der Ausgangsstoff nicht mehr nachweisbar. Laut dem Verband ist es demnach irreführend, wenn das Arzneimittel dennoch mit "HCG" bezeichnet wird. Deswegen klagte er die Apotheke nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Laut Urteil ist die hohe Verdünnung bekannt

Das mit diesem Rechtsstreit in erster Instanz befasste Landesgericht Darmstadt (Az. 15 O 25/19) wies die Klage jedoch ab: Nur weil der Ausgangsstoff HCG infolge extremer Verdünnung nicht mehr nachweisbar ist, bedeutet das laut dem Gericht nicht, dass das homöopathische Arzneimittel kein HCG enthalten würde. Darüber hinaus spreche die beklagte Apotheke mit ihrer Werbung nicht Anhänger der klassischen Schuldmedizin, sondern Anhänger der Homöopathie an. Diesen sei eine hohe Verdünnung bekannt und wichtig, weil sich dadurch unerwünschte Nebenwirkungen verringern ließen. Schließlich würden die Namen zahlreicher anderer, ähnlich stark verdünnter homöopathischer Arzneimittel ebenfalls den jeweiligen Ausgangsstoff beinhalten. Bei Stattgabe der Klage würde dies somit zu einem faktischen Verbot homöopathischer Arzneimittel in der bisherigen Form führen, was – so das Gericht – nicht im Interesse der Verbraucher sein kann.

Also doch eher "It is not necessary to get what you see"? Nein, gegen eine solche Sichtweise und somit gegen die Richtigkeit des Urteils des LG Darmstadt sprechen gewichtige Gründe. Denn wirbt ein Unternehmen mit unwahren Angaben, indiziert dies die Unlauterkeit. Wenn der Wahrheitsgehalt einer Werbeaussage nicht feststeht, dann ist eine solche Werbeaussage nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bis zum Beweis des Gegenteils zur Irreführung geeignet, sofern sie sich insbesondere auf ein wesentliches Produktmerkmal bezieht.

Dass sich die Existenz eines Inhaltsstoffes nicht nachweisen lässt, muss doch zumindest zur Unklarheit über die Wahrheit einer gegenteiligen Werbeaussage führen. Somit müsste die Apotheke beweisen, dass ihr Produkt HCG enthält – diesen Beweis wird sie aber nicht erbringen können, wenn sich der Wirkstoff HCG gar nicht nachweisen lässt.

Es zählt der Gesamteindruck

Und selbst wenn erwiesen wäre, dass der Ausgangsstoff im homöopathischen Arzneimittel enthalten ist, würde das nichts ändern. Denn nach der Judikatur zum Lauterkeitsrecht kann auch das Täuschen mit wahren Angaben irreführend sein, wenn diese einen unrichtigen Gesamteindruck erwecken. Im Lebensmittelbereich ist es daher etwa unzulässig, mit Abbildungen von Früchten auf der Verpackung zu werben, wenn das Produkt diese Früchte zwar enthält, aber nicht im nennenswerten Ausmaß. Ein paar wenige Prozent nachweislichen Inhalts können schon zu wenig sein – und zwar auch dann, wenn das Zutatenverzeichnis über die tatsächlich geringe Menge aufklärt. Es ist also nicht nachvollziehbar, dass im Bereich der Homöopathie wissenschaftlich nicht nachweisbare Mengen ausreichen sollen, um ein Produkt entsprechend benennen zu dürfen.

Auch der Einwand, dass mit "C30" über das Verdünnungsverhältnis aufgeklärt werde, ist kaum haltbar. Den wenigsten Konsumenten sagt der Zusatz "C30" etwas. Das Landesgericht Darmstadt geht zwar davon aus, dass die an Homöopathie interessierten Kunden etwas damit anfangen können. Warum im konkreten Fall die Werbung der Apotheke jedoch ausschließlich Unterstützer der Homöopathie adressieren soll, bleibt unerfindlich. Die Apotheke möchte mit Sicherheit auch Unentschlossene erreichen.

Zudem ist stark zu bezweifeln, dass Homöopathie-affinen Kunden tatsächlich bekannt ist, was eine C30-Verdünnung faktisch bedeutet. Dass Homöopathen in diesem Zusammenhang auch nicht von einer Verdünnung, sondern von einer "Potenzierung" sprechen und damit ein schlicht falsches Verständnis implizieren, verstärkt die Irreführungseignung noch zusätzlich. Dem Gericht wäre es freigestanden, hier einen Beweis in Form einer entsprechenden Konsumentenbefragung durchführen zu lassen – und es hätte davon Gebrauch machen sollen.

Schlussendlich wird für jeden Kunden kaufentscheidend sein, dass der beworbene Ausgangsstoff im homöopathischen Arzneimittel enthalten ist und etwas bewirkt. Doch wie soll etwas eine Wirkung entfalten, das sich selbst mit den besten und modernsten Methoden schlicht nicht nachweisen lässt und somit wissenschaftlich gesehen nicht existiert? "If it simply does not exist, you should not promote it" – zumindest vor dem lauterkeitsrechtlichen Hintergrund sollte das der richtige Grundsatz sein, den in diesem Fall hoffentlich auch die höheren Gerichtsinstanzen verfolgen werden.

Verboten würde nur die Irreführung

Sollten die höheren Gerichtsinstanzen ein solches Verbot aussprechen, würde das in der Tat zu einem Verbot zahlreicher homöopathischer Arzneimittel in ihrer bisherigen Aufmachung führen. Aber wohlgemerkt nicht des homöopathischen Arzneimittels an sich, sondern nur dessen zur Irreführung geeigneter Bezeichnung und Aufmachung.

Zwar beruht die Homöopathie auf dem Konzept der Verdünnung bis hin zur Nichtnachweisbarkeit des Ausgangsstoffes. In den Verpackungsbeilagen könnte jedoch noch immer im Detail der Inhalt beschrieben werden – aber eben ohne Irreführungseignung: "Dieses Produkt enthält Zucker und Wasser mit einer wissenschaftlich nicht nachweisbaren Menge eines bestimmten Ausgangsstoffes."

Für homöopathische Arzneimittel ist die Werbung mit Informationen zu Wirkungen und Anwendungsgebieten jedenfalls untersagt. Wieso? Weil es am Nachweis einer solchen Wirkung fehlt. Wieso soll für die blickfangartige Bewerbung des Ausgangsstoffes im Namen oder der Aufmachung etwas anderes gelten? Wenn sich der Ausgangsstoff im Produkt nicht nachweisen lässt, darf es wohl nicht erlaubt sein, dennoch ein gegenteiliges Verständnis durch entsprechende Namenswahl zu vermitteln. (Sascha Jung, 11.6.2020)