Schlangen vor Bankomaten sind in der Corona-Krise unüblich, digitales Zahlen ist auf dem Vormarsch.
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Wer zum Ausbruch der Corona-Krise Bargeld hortete, hat eindeutig auf das falsche Pferd gesetzt. Umgehend fanden sich an Geschäften Hinweise, Kunden mögen aus Sicherheitsgründen mit Bankomatkarte bezahlen. Wohl beteuerte die Europäische Zentralbank etwas später, dass es Laboruntersuchungen zufolge kein erhöhtes Infektionsrisiko gebe – das Bild von einer Ansteckungsgefahr durch Münzen und Geldscheine war aber bereits tief verankert. Wird nun die Corona-Krise zu einer weiteren Strophe im Abgesang auf das Bargeld?

Bisher zählte Österreich neben Deutschland zu den Bastionen der Bargeldnutzer, vor allem ältere Menschen – und damit die Covid-Risikogruppe – pflegten eine Vorliebe für Scheine und Münzen. Diese ist nun ins Wanken geraten, wie aus einer aktuellen Studie des schwedischen Zahlungsdienstleisters Klarna hervorgeht. Demzufolge holen die Älteren im Vergleich zu jüngeren Generationen beim digitalen Bezahlen auf. Von der Generation 55 plus geben 17 Prozent der Befragten an, ihre letzten Einkäufe gar nicht mehr im Einzelhandel mit Bargeld beglichen zu haben. Weitere 29 Prozent haben nur ein- bis zweimal zu Münzen und Scheinen gegriffen. Damit liegt diese Generation Klarna zufolge fast gleichauf mit jüngeren Altersgruppen.

Seltene Abhebungen

Insgesamt geben 61 Prozent aller Befragten an, weniger als die Hälfte der Einkäufe noch mit Bargeld zu begleichen, 14 Prozent davon verzichten sogar gänzlich darauf. Die rückläufige Nutzung von Bargeld macht sich auch an den etwa 13.000 Bankomaten in Österreich bemerkbar. Der Umfrage zufolge heben bloß sechs Prozent der Befragten mehrmals pro Woche Bargeld ab. Mit 46 Prozent versorgt sich fast die Hälfte nur einmal pro Monat oder seltener mit Bargeld vom Automaten. "In Österreich spielt Bargeld, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, nach wie vor eine große Rolle", sagt Chen Cheng-Chieh, Klarna-Chef in Österreich. "Das scheint sich nun zu wandeln."

Aber was treibt jene 39 Prozent an, für die Bares laut der Klarna-Studie weiterhin das wichtigste Zahlungsmittel im Einzelhandel bleibt? Manche Menschen haben einfach Probleme mit der Benutzung digitaler Zahlungsmöglichkeiten oder schätzen die Anonymität des Bargelds. Aber es gibt auch weitere Ursachen für die Popularität von Münzen und Scheinen.

"Bargeld ist wie Drogen oder Essen", sagt die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters, von der Internationalen Hochschule IUBH. "Sehen wir Geld, wird im Hirn ein Belohnungszentrum aktiviert." Dies habe aber auch den Effekt, dass Menschen mit Bargeld weniger großzügig agieren würden als bei dem eher abstrakten Vorgang einer digitalen Zahlung.

Bares im Börsel

Warum bei vielen Menschen auch mehr oder weniger offene Aufforderungen, unbar zu zahlen, nicht greifen, erklärt Pitters wie folgt: "In Krisensituationen vertrauen Menschen reflexartig auf Bewährtes – deshalb bevorzugen sie haptisches Bezahlen gegenüber digitalen Zahlungsmitteln."

Daher tragen Menschen auch immer noch Bares mit sich. Wer wissen will, wie viel im Durchschnitt, dem gewährt die Klarna-Studie Einblick. Auf den momentanen Inhalt der Geldbörse angesprochen, hatten die mehr als 1.000 Befragten im Schnitt 120,35 Euro bei sich. Auffallend dabei: Männer hatten mit durchschnittlich 165 Euro mehr als das Doppelte in der Geldbörse als Frauen mit bloß 78 Euro. (Alexander Hahn, 10.6.2020)