Harald Neumann ist Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren, deshalb darf er Aussagen verweigern, die ihn belasten würden. Im U-Ausschuss steht er allerdings unter Wahrheitspflicht.

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Der Ibiza-Untersuchungsausschuss heißt zwar genau genommen "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". Die geläufige Kurzform führte bei den am Dienstag Geladenen allerdings keineswegs in die Irre. Denn Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte im Ibiza-Video: "Novomatic zahlt alle" – was er später zurücknahm. Ob das nun stimmt oder nicht, soll der U-Ausschuss klären.

Den mehr als schleppenden Anfang machte Harald Neumann, Ex-CEO des Glücksspielkonzerns, der als Novomatic-Vorstandsvorsitzender auch Mitglied im Casinos-Aufsichtsrat war. Gegen ihn wird in der Causa ermittelt – was seine Befragung im Ausschuss sehr schwierig werden ließ: Neumann machte sehr häufig von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Nach heftigem Hin und Her wurde Neumanns Befragung beendet, er soll erneut geladen werden.

Staatsanwalt fühlt sich brüskiert

Am Nachmittag wurde Oberstaatsanwalt Matthias P. von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) befragt, der die Casinos-Ermittlungen führt. Zwar liege das Ibiza-Video seit Montag auch der WKStA vor. "Man hätte uns berichten müssen, dass es da ist", sagte P. jedoch: "Es war brüskierend, dass wir davon aus den Medien erfahren."

Seine Aussagen warfen ein grelles Licht auf die holprige Zusammenarbeit zwischen der WKStA und der Soko Tape in den Ibiza-Ermittlungen.. Die bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Papiere sichtet die Soko und schickt sie, eingescannt, an die WKStA – mitunter aber in unlesbarer Form. Eine Unterlage etwa sei von derart miserabler Qualität gewesen, dass die WKStA später das ganze Dokument einsah – und drauf gekommen sei, dass im unlesbaren Teil just Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vorkam.

Soko Tape lieferte unleserliche Scans

"Da hat es uns die Augen raus gehaut", schilderte P. die Qualität des übermittelten Scans. Schatten hätten Teile der Unterlage – Notizen von Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner, der Beschuldigter ist – teilweise unlesbar gemacht. In diesem Teil sei es um ein Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem früheren ÖVP-Chef und -Vizekanzler sowie Casinos-Aufsichtsrat Josef Pröll gegangen.

"Im Original war das aber sehr wohl lesbar", sagte P. Bei der Zusammenkunft sei es laut den Unterlagen um eine angedachte, im Verlauf des Ausschusses aber nicht näher erläuterte Holdinglösung für die Casinos Austria und eine Vorstandsbestellung ohne Ausschreibung gegangen. Auch Josef Pröll wird in den Ermittlungen zur Postenschacher-Causa rund u die Casinos Austria als Beschuldigter geführt; für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Bericht zu Pilnacek zurückgehalten

Zudem stellte der Staatsanwalt dar, dass ein Bericht der WKStA zur möglichen Befangenheit des Sektionschefs Strafrecht im Justizministerium, Christian Pilnacek, von der Oberstaatsanwaltschaft Wien zunächst zurückgehalten worden sei. Erst nach längerer Zeit sei er bei der Justizministerin gelandet. WKStA und der Sektionschef, dessen Riesensektion nun getrennt wird, hatten sich zuletzt wie berichtet sehr entzweit.

Vor der Befragung des früheren Novomatic-Chefs Neumann (er hat das Unternehmen im Februar verlassen) hatte er eine Eingangsstellungnahme abgegeben. Darins sagte er, er habe seine Tätigkeiten immer korrekt, gewissenhaft und sorgfältig ausgeübt. "Es lag mir fern, Amtsträger zu bestechen, Vorteile oder gar eine eigene Bereicherung zu lukrieren." Strache habe eidesstattlich wieder zurückgenommen, was er im Ibiza-Video über Novomatic gesagt habe, und sich entschuldigt. "Daher glaube ich Strache. Diese Aussage kann nur falsch gewesen sein", sagte Neumann.

Dass der frühere Wiener FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo trotz recht negativer Bewertung eines Personalberaters Casinos-Manager geworden ist, verteidigte er., Sidlo sei geeignet gewesen. Es habe keine Deals mit der FPÖ oder anderen Parteien oder Parteispenden gegeben.

Sobotka vs. Krainer

Als die Abgeordneten nachhakten, gab sich der Ex-CEO wortkarg und entschlug sich beim Großteil der Fragen mit Verweis auf laufende Ermittlungen. Als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren muss er sichnicht selbst belasten. Im Ausschuss steht er aber unter Wahrheitspflicht. Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte Verständnis für das Dilemma. Neumann müsse aber stets konkretisieren, warum er sich entschlägt.Die Begründungen Neumanns sorgten allerdings für Zoff unter den Abgeordneten. Beispiel: SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer wollte wissen, seit wann es Geldschenkungen des Novomatic-Eigentümers Johann Graf an Neumann gegeben habe und warum. Neumann sagte, sie hätten nichts mit seiner Funktion als Novomatic-Manager zu tun und seien Privatsache.

Das erzürnte den Sozialdemokraten. Er könne sich hier nicht entschlagen, so Krainer. Sobotka sagte aber zu, Neumann habe die Frage beantwortet, und wies diesen darauf hin, dass der Ausschuss nach Verschriftlichung der Aussagen beim Bundesverwaltungsgericht Beugestrafen zu falschen Aussagen beantragen kann. Am Nachmittag wurde Neumanns Befragung beendet. Man werde beim Rechts- und Legislativdienst des Nationalrates ein Rechtsgutachten einholen, das die Frage der Entschlagungen klärt.

Sobotka verließ Sitzung

Heikel war es laut Krainer geworden, als es um die ÖVP und eine Novomatic-Unterstützung für das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut ging, dessen Präsident Wolfgang Sobotka ist – dieser hat sich ab Mittag im U-Ausschuss von seinem Stellvertreter Andreas Hanger vertreten lassen. Die permanenten Geschäftsordnungsdebatten nannte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper "kafkaesk", die Opposition sah sich in Befangenheitsvorwürfen gegen den Vorsitzenden Sobotka bestätigt.

Die Befragung des dritten für Dienstag Geladenen, Novomatic-Manager Alexander M., wurde auf Mittwoch verschoben. (Aloysius Widmann, APA, gra, 9.6.2020)