Medizinisches Personal bringt eine möglicherweise Infizierte in ein Krankenhaus in Skopje.

Foto: AFP / Robert Atanasovski

Anfang Mai gab es nur mehr wenige Fälle, fünf, sieben oder zwölf pro Tag. Doch Anfang Juni schnellte die Anzahl der Neuinfektionen wieder hinauf. Am 5. Juni gab es sogar 179 Neuansteckungen in dem Land mit nur zwei Millionen Einwohnern. Nordmazedonien ist eines der ganz wenigen Staaten in der Europa, die die Pandemie nicht in den Griff bekommen. Deshalb hat die Regierung nun entschieden, weitere Ausgangssperren zu verhängen. Diese dauern bis zu 80 Stunden – das bedeutet, dass die Mazedonier in Skopje, Tetotovo, Kumanovo und Štip tagelang ihre Häuser und Wohnungen nicht verlassen können. Aber auch in einigen Landgemeinden heißt es wieder zu Hause bleiben.

Im Rest des Landes dürfen die Leute in der Nacht nicht raus. Es mehrt sich die Kritik, dass der Anstieg der Neuinfektionen auf das orthodoxe Ostern am 19. April zurückzuführen ist. Gerade weil es sich nicht um eine konservative, sondern bis zu den Wahlen um eine parteienübergreifende Übergangsregierung handelt, verhielt diese sich gegenüber der mächtigen Orthodoxie im Lande entgegenkommend, um nicht zu viel Widerstand hervorzurufen.

Die Kirchen durften vor Ostern am 16. und am 17. April offen bleiben. Und an diesen beiden Tagen wurde die Kommunion mit ein und demselben Löffel an die Gläubigen weitergegeben. Aus der Kirche hieß es: "Wir werden nicht jahrhundertealte Traditionen ändern." Aber auch die Ramadan-Festlichkeiten Ende Mai haben zur Verbreitung der Infektionen beigetragen.

Schwierige Zusammenarbeit in der Regierung

Zudem ist die Zusammenarbeit zwischen der nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE und den Sozialdemokraten, also dem Innenministerium und dem Gesundheitsministerium in der Regierung, nach jahrelangen stürmischen Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen sehr schwierig. Eigentlich hätten schon im April Wahlen stattfinden sollen, doch diese wurden wegen der Pandemie auf Herbst verschoben. Die Sozialdemokraten unternahmen Ende Mai allerdings einen Versuch, die Wahlen doch noch im Sommer abzuhalten – deshalb wurden auch einige Maßnahmen gelockert, was sich jetzt als fatal herausstellt.

Die bis zuletzt regierenden Sozialdemokraten setzten sich wie andere regierende Parteien in Südosteuropa für einen Wahltermin im Sommer ein – das gilt etwa für Serbien und Kroatien –, weil ihnen bewusst ist, dass die Krise im Herbst so richtig spürbar werden wird, und sie Angst davor haben, dann die Wahlen zu verlieren. Gesundheitsexperten kritisieren nun, dass die Entscheidung, Ende Mai Lockerungen einzuführen, nur politisch motiviert gewesen sei und nun zu einer noch größeren Gesundheitskrise führen würde. Sogar Interimspremier Oliver Spasovski musste vorübergehend eine Heimquarantäne antreten.

Falsche Botschaft des Mufti

Auch bei den Religionsgruppen gibt es Konsequenzen. So musste der Großmufti der Islamischen Gemeinde, Sulejman Rexhepi, zurücktreten. Er hatte zu Ramadan gemeint, dass das Coronavirus "tot" sei. Der 73-jährige Rexhepi, der für seine albanisch-nationalistischen Ansichten bekannt ist, hat zudem kürzlich eine um 50 Jahre jüngere Frau geheiratet, was ebenfalls zu Kritik geführt hatte. (Adelheid Wölfl, 10.6.2020)