Aguila Saleh, Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi und General Khalifa Haftar (v.l.) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Kairo.

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Spätestens Ende April wurde evident, dass es politisch kracht im ostlibyschen Gebälk: Da ernannte sich der starke Mann, General Khalifa Haftar, zum Alleinherrscher über ganz Libyen – und der große Jubel blieb auch im von ihm kontrollierten Osten aus. Parallel dazu wurde bekannt, dass der Präsident des Ostparlaments, Aguila Saleh, wichtige Milizen- und Stammesvertreter – also Haftars Armee – getroffen hatte. Zwar dementierte Aguila Saleh Issa al-Obeidi, wie er mit vollem Namen heißt, Unstimmigkeiten mit Haftar. Aber es war klar: Da wird an einer Alternative zu Haftars Weg gearbeitet.

Aguila Saleh, der nur zehn Monate jünger ist als Haftar – beide sind 76 –, wird seitdem als möglicher, zumindest interimistischer Ersatz für diesen gehandelt. Dass er am Samstag in Kairo an der Seite Haftars bei Präsident Abdelfattah al-Sisi auftrat, wo ein Waffenstillstand und ein politischer Plan für Libyen vorgeschlagen wurde, befeuert diese Gerüchte. Saleh gilt als Autor dieses Plans, und offenbar handelt er in Abstimmung mit der russischen Führung, die Haftar fallenlässt.

Durch Wahlen legitimiert

Denn der General, den das von Aguila Saleh geleitete Parlament 2016 zum Feldmarschall ernannte, ist gescheitert: Anfang April 2019 hatte er die Offensive auf Tripolis und die international anerkannte Regierung von Fayez al-Serraj gestartet. In ein paar Tagen wollte Haftar die im Westen liegende Hauptstadt von "Terroristen und Islamisten" gesäubert haben. Doch trotz Hilfe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Russland und anderen Staaten gelang kein Durchbruch. Als zu Jahresbeginn 2020 die Türkei ihre Unterstützung für Tripolis vervielfachte, wendete sich das Blatt. Vergangene Woche musste sich Haftar zurückziehen.

Der Traum ist zerplatzt, dass ein alter libyscher Nationalist mit den Islamisten aufräumen und Libyen mit starker Hand wieder stabilisieren und einen könnte. Davon hatte Haftar bis zu einem gewissen Grad sogar Frankreich und – vielleicht weniger überraschend – US-Präsident Donald Trump überzeugen können.

Ob der Jurist Aguila Saleh, der in der Gaddafi-Ära mehrere Posten in der Justiz innehatte, als neue Integrationsfigur taugt, ist fraglich. Aber immerhin bekleidet der Abgeordnete aus Qubba ein durch Wahlen 2014 legitimiertes Amt. "Sein" Parlament in Tobruk ist dabei nur eines von zwei im gespaltenen Libyen. Auch mit Haftars sanftem Abgang ist dieser Konflikt längst noch nicht zu Ende. (Gudrun Harrer, 9.6.2020)