Der Bruder des getöten Floyds sprach im Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses.

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Washington/Houston – Nach der Trauerfeier für den brutal getöteten Afroamerikaner George Floyd gehen die Diskussionen über Polizeigewalt und Proteste gegen Rassismus in den USA weiter. In einer emotionalen Ansprache vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses hat ein Bruder des getöteten Afroamerikaners George Floyd Gerechtigkeit gefordert. "Es liegt an Ihnen, sicherzustellen, dass sein Tod nicht umsonst ist", sagte Philonise Floyd zu den Abgeordneten am Mittwoch in Washington.

Er berichtete von großer Trauer. "Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Art von Schmerz man fühlt, wenn man so etwas sieht. Wenn man seinen großen Bruder beobachtet, zu dem man sein ganzes Leben lang aufgeschaut hast, wie er stirbt. Stirbt und dabei nach seiner Mutter ruft."

Trauerfeier im Fernsehen

Weiterhin gab es landesweit Proteste – allerdings in geringerem Umfang. Bei der Trauerfeier wurde Leichenwagen von der Polizei eskortiert. Auf der letzten Meile wurde der Sarg in einer weißen Pferdekutsche transportiert. Zwei weitere Kutschen folgten. Das Eintreffen des Trauerzugs am Friedhof verfolgten zahlreiche Menschen am Straßenrand. Der Gottesdienst war live übertragen worden, die anschließende Beisetzung erfolgte im Privaten.

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An der Trauerfeier für Floyd in Houston hatten neben den Angehörigen rund 2.500 Ehrengäste teilgenommen. Auch Angehörige anderer Opfer von Gewalt gegen Afroamerikaner waren anwesend. So waren beispielsweise der Vater des im Februar getöteten Joggers Ahmaud Arbery und der Vater des 2014 erschossenen Michael Brown am Dienstag in der Kirche in Houston.

Zwei Reihen uniformierter Polizisten standen Spalier, als der goldene Sarg vor dem Gottesdienst in die Kirche gebracht wurde. Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden drückte seine Anteilnahme über eine Videobotschaft während des Gottesdienstes aus. Zu viele schwarze Menschen in den USA wüssten, dass sie ihr Leben verlieren könnten, indem sie einfach ihr Leben lebten. "Wir dürfen uns nicht abwenden. Wir können diesen Moment nicht ungenutzt verstreichen lassen und denken, wir könnten vor dem Rassismus die Augen verschließen", sagte er.

Während des vierstündige Gottesdienstes, der live von allen großen US-Fernsehsendern übertragen wurde, hielt der prominente Bürgerrechtler Al Sharpton die Trauerrede. Er bezeichnete Floyd als einen "gewöhnlichen Bruder", der ein großes Vermächtnis hinterlasse. "Gott nahm den verschmähten Stein und machte ihn zum Eckpfeiler einer Bewegung, die die ganze Welt verändern wird", sagte Sharpton. "Er hat die Welt verändert", sagte auch der demokratische Abgeordnete Al Green. "George Floyd hat die Welt verändert. Und wir werden die Welt wissen lassen, dass er einen Unterschied ausgemacht hat."

Der gewaltsame Tod Floyds durch einen weißen Polizisten bei einer Festnahme treibt seit zwei Wochen hunderttausende Menschen in den USA und weltweit zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße. Dabei kam es zum Teil zu massiven Ausschreitungen und Plünderungen. Der Todeskampf Floyds wurde mit einer Handykamera festgehalten und zeigt ihn, wie er nach Luft schnappt und "Mama" und "Bitte, ich kann nicht atmen" stöhnt.

Demokraten wollen Polizei weiterhin finanzieren

Der Tod Floyds hat nicht nur Großdemonstrationen ausgelöst, sondern auch eine Debatte über Polizeireformen in den USA. Die Forderung, der Polizei finanzielle Mittel zu entziehen und diese in soziale und andere Projekte zu stecken, findet unter Demonstranten viel Zuspruch. US-Präsident Donald Trump ist strikter Gegner dieser Idee und preist die Polizei bei jeder Gelegenheit.

Auch führende Demokraten wollen die Finanzierung nicht einschränken. "Die bessere Antwort besteht darin, den Polizeibehörden die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie für die Umsetzung sinnvoller Reformen benötigen" und weitere Finanzierung von der Umsetzung der Reformen abhängig zu machen, schrieb Biden in einem Meinungsartikel für die Zeitung "USA Today". Zu den Forderungen gehören unter anderem das Verbot von Würgegriffen, die konsequente Verfolgung von Verbrechen durch Polizisten und verbessertes Training der Beamten in Bezug auf ethnische und religiöse Vorurteile.

UN-Menschrechtsrat kritisiert Trump

Zahlreiche Beschwerden von Reportern über Behinderungen und Angriffe durch Sicherheitskräfte bei der Berichterstattung über die Proteste in den USA riefen unterdessen Menschenrechtler auf den Plan. Die Berichterstatter zum Thema Presse- und Meinungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kritisierten Trump am Mittwoch namentlich.

"Wir wiederholen unsere schwere Sorge, dass Aussagen des US-Präsidenten – besonders seine jahrelangen Attacken gegen Medienvertreter, die er als "Feinde des Volkes" bezeichnet – zu einem Umfeld von Feindseligkeit und Intoleranz beitragen", kritisierten die Experten. Stattdessen sollten die Behörden die wichtige Rolle der Presse in demokratischen Gesellschaften herausstellen. Sicherheitskräfte hätten die Pflicht, die Sicherheit von Journalisten zu gewährleisten.

Untersuchungen wegen Angriffe auf Presse

US-Außenminister Mike Pompeo kündigte daraufhin eine Untersuchung der Vorfälle gegen ausländische Journalisten an. Einige Staaten hätten "Besorgnis" über eine "unangemessene" Behandlung von Reportern zum Ausdruck gebracht, sagte Pompeo am Mittwoch in Washington. "Wir werden unser Bestes tun, sie zu untersuchen."

Journalisten-Organisationen kritisierten das Vorgehen der US-Polizei scharf. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet verurteilte "beispiellosen Angriffe" auf Journalisten. Sie verwies dabei auf Berichte, wonach mindestens 200 Journalisten von der Polizei angegangen wurden.

Einsatz verteidigt

In einem Schreiben an Washingtons Bürgermeisterin verteidigte Justizminister William Barr den umstrittenen Einsatz von Einheiten der Nationalgarde aus anderen Bundesstaaten in der Hauptstadt. "Das war eine vorübergehende Reaktion auf eine eskalierende Sicherheitskrise", erklärte der Minister. Das Ziel der Regierung sei gewesen, sicherzustellen, dass die Unruhen enden und dass "Recht und Ordnung" in der Hauptstadt wieder hergestellt würden.

Trump hatte am Sonntag nach erneut friedlich verlaufenen Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt den Rückzug der Nationalgarde aus der Hauptstadt angeordnet. Washingtons Bürgermeisterin hatte Trump zuvor in einem offenen Brief dazu aufgefordert, alle Soldaten und Sicherheitskräfte der Regierung aus ihrer Stadt abzuziehen.

Mitglieder der Nationalgarde mit Corona infiziert

In der Nationalgarde sind nach ihrem Einsatz in Washington Fälle der Ansteckung mit dem Coronavirus aufgetreten. Dies teilte am Dienstag eine Sprecherin der Nationalgarde-Einheit der Hauptstadt mit. Zur Zahl der Infektionsfälle wollte sie keine Angaben machen.

Die Infektionen in der Washingtoner Nationalgarde wurden nach Angaben der Sprecherin festgestellt, nachdem die Truppe bei Protesten in der Nähe des Weißen Hauses im Einsatz gewesen war. Zwar trugen viele der Demonstranten Atemschutzmasken, jedoch nicht alle. Viele Mitglieder der Sicherheitskräfte trugen keine Masken. Die Mitglieder der Truppe seien vor und nach ihrem Einsatz bei den Protesten auf das Coronavirus getestet worden, sagte die Sprecherin. (red, APA, 10.6.2020)