Der U-Ausschuss befragt am Mittwoch um 15.30 Uhr den Soko-Chef Andreas Holzer. Er soll die Vorwürfe kontern, die am Vortag von der WKStA geäußert wurden.

Foto: APA/Fohringer

Es kracht in der heimischen Strafverfolgung. Die Zusammenarbeit sei "klar verbesserungswürdig", schreibt Andreas Holzer, Chef der Soko Tape, in einem internen Bericht. Oberstaatsanwalt Matthias P. von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) war vor dem U-Ausschuss weniger diplomatisch: Seine Behörde fühlte sich von der Soko "brüskiert", in einem internen Bericht beklagt er "massive Unsorgfältigkeiten bei der Digitalisierung der Unterlagen" durch die Soko Tape. Worum geht es?

Die Ausgangslage

Als das Ibiza-Video im Mai 2019 auftaucht, stellen die Behörden rasch auf zweigleisige Strukturen zur Strafverfolgung um. Die Staatsanwaltschaft Wien kümmert sich um die Hintermänner des Videos und die Spesen-Affäre rund um Heinz-Christian Strache, während die WKStA die "Inhalte" des Videos samt ihrer Umsetzung, also mutmaßliche Korruption, untersuchen soll. Beiden Staatsanwaltschaften liefert eine polizeiliche Sonderkommission zu, die Soko Tape. Sie ist für Einvernahmen und Beweismittelsicherung sowohl in der Causa Ibiza-Video als auch in der Casinos-Affäre zuständig.

Befangenheitsvorwürfe

Schon seit Beginn der Ermittlungen herrscht Misstrauen zwischen Soko und WKStA. Bereits die Besetzung der Soko sorgt für Skepsis bei den Staatsanwälten, sie vermuten parteipolitische – sprich: türkise – Einflussnahme. Als Indiz dafür sehen sie das Verhalten der Polizei in der sogenannten Schredderaffäre. Da stellte der Polizist N. R., der einst politisch für die ÖVP aktiv war, keine Beweismittel in der ÖVP-Zentrale sicher. "Wir hätten uns Rücksprache erwartet", sagte WKStA-Staatsanwalt P. am Dienstag im U-Ausschuss. Allerdings gab es diese Rücksprache laut Soko sehr wohl.

In einem internen Bericht heißt es dort, dass eine WKStA-Staatsanwältin "keine Anordnung zur Sicherstellung von Mobiltelefonen o. Ä. anordnete". Später musste Polizist N. R. die Soko verlassen, weil er sehr freundliche SMS mit Heinz-Christian Strache ausgetauscht hatte. Die Soko warf der WKStA vor, womöglich rechtswidrige strukturierte "Nachforschungen" zu ihren Mitarbeitern durchgeführt zu haben. Im U-Ausschuss verteidigte Holzer den Einsatz des Polizisten. Ein SMS reiche nicht für eine Befangenheit, so Holzer. Der Ermittler habe die Soko dann "aus privaten Gründen" verlassen, so Holzer – das Innenministerium sprach im Herbst noch davon, dass dieser "abgezogen" wurde.

Schlechte Scans

Die Soko übergab der WKStA im August 2019 sichergestellte Unterlagen. Diese hatte sie zuvor selbst eingescannt. Die WKStA bat um die Scans, um erneute Arbeit zu vermeiden. Doch die waren so schlecht, dass es "uns die Augen rausgehaut hat", sagte P. im U-Ausschuss. Ein Vergleich mit den Originalen ergab, dass wichtige Passagen unlesbar waren, beispielsweise ein Kalendereintrag, der ein Treffen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den Casinos-Aufsichtsräten Walter Rothensteiner und Josef Pröll zeigt. Rothensteiner und Pröll sind mittlerweile Beschuldigte, es gilt die Unschuldsvermutung. Aus der Soko heißt es dazu, dass die WKStA ja jederzeit Zugriff auf die Originaldokumente gehabt hätte und man für schlechte Scanner nichts könne. Man habe nur Sicherungsscans erstellt, und die seien schlecht gewesen, erklärte Holzer.

Fehler bei Hausdurchsuchungen und Auswertungen

Auch am Verhalten des jeweils anderen bei Hausdurchsuchungen stoßen sich Soko Tape und WKStA. P. sagte im U-Ausschuss, die Soko habe das entsperrte Handy von Strache so lange liegen lassen, bis es sich wieder versperrte – nur durch Kooperation des einstigen Vizekanzlers sei es wieder geöffnet worden. Holzer sagt dazu, der Auftrag sei gewesen, die Geräte im Flugmodus abzugeben, das hätten die Beamten auch erfüllt. Im Gegenzug ärgerte die Soko, dass der WKStA-Staatsanwalt A. bei der Hausdurchsuchung gemeinsam mit Strache "private Chats" von dessen Smartphone löschte, ohne die Soko zu konsultieren. Auch sei dessen Fahrtendienst "während der gesamten Vollziehung der Hausdurchsuchung bei Strache anwesend" gewesen.

Auch bei der Auswertung der sichergestellten Handys gab es Probleme. So soll die Soko Geräte zu früh zurückgegeben haben, die WKStA spricht von einem "allfälligen Beweismittelverlust". Vor dem U-Ausschuss brüstete sich die WKStA mit ihren eigenen technischen Fähigkeiten. Im Gegenzug wirft die Soko der WKStA vor, trotz einer gerichtlichen Bewilligung mit Hausdurchsuchungen gewartet zu haben. "Die WKStA setzte ohne Rücksprache mit den zuständigen Beamten der Soko Tape oder zumindest Informationen darüber aus eigenem Antrieb Ermittlungsschritte", beschwert sich der Soko-Chef in einem Bericht.

Das Ibiza-Video

Die Animositäten kulminierten schließlich in der Tatsache, dass die WKStA erst aus den Medien von dem Fund des Ibiza-Videos durch die Soko Tape erfuhr – der bereits Wochen zuvor erfolgt war. Man habe sich "brüskiert" gefühlt, sagte WKStA-Staatsanwalt P. dazu. Was sagt die Soko? Sie verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaft (StA) Wien jene Hausdurchsuchung angeordnet habe, bei der die Speicherkarten mit dem Ibiza-Video sichergestellt wurden. Der StA Wien habe man sofort Bescheid gegeben – und diese hätte ja die WKStA und die Justizministerin informieren können. "Wir sind davon ausgegangen, dass das justizintern weitergegeben wird", so Holzer im U-Ausschuss. (Fabian Schmid, 10.6.2020)