Gewaltsame Unruhen wie jene in den USA werden weltweit zunehmen, glauben die Experten. In Rom wurde gegen Rassismus demonstriert.

Foto: Andreas SOLARO / AFP

Es klingt wie eine Milchmädchenrechnung, die der Londoner Thinktank Institute for Economics and Peace (IEP) am Mittwoch präsentiert hat: Die Corona-Pandemie bedroht den Weltfrieden. Schließlich müssten die reichen Länder aufgrund der wirtschaftlichen Lage sparen – und das wohl auch an der Entwicklungshilfe und bei Uno-Friedensmissionen. Genauer betrachtet, klingt das aber durchaus schlüssig.

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Der Bericht GPI als PDF.

Jedes Jahr bewertet das IEP in seinem Global Peace Index die Lage in mehr als 160 Ländern der Welt anhand von Kriterien wie Krieg, Terrorismus, Polizeigewalt und Waffenexporte. In diesem Jahr ergänzten die Experten den Bericht zudem um eine Analyse der möglichen Folgen der Pandemie auf den Frieden in der Welt.

Insgesamt verzeichnete das IEP weltweit einen Rückgang friedlicher Verhältnisse in neun von zwölf der vergangenen Jahre. Das gilt auch für 2019. "Die Welt ist erheblich weniger friedlich, als sie es 2008 war", heißt es in dem Bericht. Dabei sei aber eine Zweiteilung zu beobachten in Gruppen von je 80 Ländern. Bei der einen Gruppe verbesserte sich die Situation, bei der anderen wurde es schlechter. Während die Todesfälle durch Terrorismus und die Intensität von Konflikten abnehmen, gibt es immer mehr gewaltsame Ausschreitungen.

Virus verschlimmert Lage

Die Coronavirus-Pandemie dürfte die Situation weiter verschlimmern, schätzen die Experten. "Das IEP identifiziert die wirtschaftlichen Auswirkungen von Lockdowns als erhebliche Bedrohung für den Frieden", heißt es in dem Bericht. Es müsse mit Kürzungen bei Entwicklungshilfe und bei der Finanzierung von Friedensmissionen gerechnet werden. Das könne anfällige und von Konflikten betroffene Länder wie Liberia, Afghanistan und Südsudan weiter destabilisieren. Zudem seien Staaten wie Brasilien, Pakistan und Argentinien durch wirtschaftliche Turbulenzen einem erhöhten Risiko durch politische Instabilität, Unruhen und Gewalt ausgesetzt.

Der einzig positive Effekt der Coronavirus-Pandemie sei möglicherweise, dass Stellvertreterkriege schwieriger zu finanzieren sein könnten, so die Experten. Es bleibe aber abzuwarten, ob sich das Engagement Saudi-Arabiens im Jemen oder Russlands in Syrien verringere, fassen die Londoner Experten zusammen.

Österreich knapp nicht auf dem Stockerl

Das dem Index zufolge friedlichste Land der Welt ist Island, gefolgt von Neuseeland und Portugal. Österreich ist wie im vergangenen Jahr auf Platz vier, Deutschland 16. An letzter Stelle steht Afghanistan.

Weltweit ist die Zahl der Toten durch terroristische Angriffe rückläufig. Waren es 2015 noch etwa 33.500, starben im vergangenen Jahr noch 8.000 Menschen durch Terrorismus. In 100 Ländern gingen zudem die Militärausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zurück, in 133 Staaten sank der Anteil der Militärangehörigen gemessen an der Gesamtbevölkerung.

In 60 Prozent der Länder gewaltsame Unruhen

Eine Zunahme war bei Unruhen zu beobachten. Im Jahr 2019 waren fast 60 Prozent aller Länder von gewaltsamen Protesten betroffen. Die IEP-Experten beobachten hier einen Langzeittrend: Die Zahl der Ausschreitungen weltweit hat sich demnach in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdreifacht.

Die ökonomischen Kosten von Gewalt und Konflikten im Jahr 2019 bezifferte das Institut weltweit auf 14,5 Billionen US-Dollar (umgerechnet rund 12,8 Billionen Euro). (red, APA, 10.6.2020)