Das IFAP-Syndrom kann mit fast vollständigem Fehlen von Haaren einhergehen.
Foto: Universität Bonn

IFAP: Dieses Kürzel setzt sich zusammen aus Ichthyosis follicularis, Alopezie und Photophobie. Diese drei Symptome – eine Verhornungsstörung der Haut, Haarausfall und Lichtempfindlichkeit – sind die auffälligsten Symptome einer sehr seltenen Krankheit, die auch Dermotrichie-Syndrom genannt wird. Die Ursache dieser Krankheit haben Forscher nun in einem Gendefekt ausfindig gemacht, wie die Universität Bonn berichtet.

Weniger als ein Millionstel der Gesamtbevölkerung weist das IFAP-Syndrom auf. Die Betroffenen sind spärlich behaart, was bis zu kompletter Haarlosigkeit gehen kann – selbst Augenbrauen und Wimpern können ihnen fehlen. Ihre Haut ist oft schuppenartig verhornt, Sonnen- oder starkes Kunstlicht schmerzt ihnen in den Augen.

Vor allem Männer betroffen ...

Bereits 2009 konnte eine Arbeitsgruppe um Karl-Heinz Grzeschik von der Universität Marburg eine mit dem Syndrom verbundene Mutation identifizieren. Diese betraf eine Erbanlage auf dem X-Chromosom, was erklärt, warum überwiegend Männer von dem Syndrom betroffen sind. Das X-Chromosom ist bei Frauen doppelt vorhanden, sie können dem Defekt daher meist ein intaktes Gen entgegensetzen und erkranken selber nicht oder nur schwach.

Männer haben dagegen nur ein X-Chromosom und können die Mutation nicht kompensieren. "Die Veränderung erklärt also vor allem IFAP-Erkrankungen bei Jungen und Männern", betont Regina Betz vom Institut der Humangenetik der Universität Bonn, die schon an der damaligen Studie beteiligt war.

... aber nicht nur

Als Betz und ihre Kollegen auf ein Mädchen mit denselben Symptomen stießen, war daher ihre Neugierde geweckt. Da sowohl Vater als auch Mutter der Betroffenen gesund waren, vermuteten sie eine spontane Mutation als Ursache. Sie verglichen daher sämtliche Gene der Eltern mit denen ihrer Tochter. Tatsächlich stießen sie dabei auf eine Erbanlage, die bei der Patientin gegenüber ihren Eltern verändert war. "Es handelt sich um das Gen für einen so genannten Transkriptionsfaktor", erklärt Betz. "Dieser Faktor reguliert die Aktivität vieler weiterer Erbanlagen, die im Fettstoffwechsel eine wichtige Rolle spielen."

Um seine Funktion zu erfüllen, muss der Transkriptionsfaktor mit dem Kürzel SREBP-1 in den Zellkern gelangen. Denn der Kern beherbergt die Chromosomen, auf denen wiederum sämtliche Gene gespeichert sind. Die gefundene Mutation verhindert den Transport in den Kern. "Da wir anfänglich nur eine Patientin mit einem solchen Defekt hatten, konnten wir nicht ganz sicher sein, dass er tatsächlich Ursache des IFAP-Syndroms ist", sagt Betz' Institutskollegin Aytaj Humbatova.

Bestätigung aus China

Deshalb fahndeten die Wissenschafter nach weiteren IFAP-Fällen, die eine Mutation im selben Gen aufwiesen – mit Erfolg: Bei vier Patienten der ehemaligen Marburger Arbeitsgruppe wurden sie fündig. Eine weitere Bestätigung kam von einem Team um den Dermatologen Zhimiao Lin von der Universität Peking, das Kontakt zu den deutschen Kollegen aufnahm. Die chinesischen Forscher waren nämlich bei zwei vom IFAP-Syndrom betroffenen Familien auf Veränderungen desselben Gens gestoßen. Hinzu kam ein Fall aus Hamburg und ein weiterer aus China. "Die Stelle, die für den Transport des Transkriptionsfaktors in den Zellkern wichtig ist, scheint besonders anfällig für Mutationen zu sein", sagt Humbatova.

Die Forscher konnten zwei Proteine identifizieren, die als Folge der Mutation fehlreguliert werden. Eine davon spielt unter anderem bei der Synthese von Cholesterin eine wichtige Rolle. Ist SREBP-1 defekt, wird sie nicht mehr so häufig abgelesen. Die Folge ist ein Cholesterinmangel. "Dieser betrifft aber vor allem die Haut und die Haarwurzel-Zellen", sagt Lin. "Der Blutcholesterinspiegel ändert sich durch die Mutation dagegen nicht."

Mittelfristig könnte die Studie auch neue Wege zur Behandlung des IFAP-Syndroms eröffnen. Vielleicht lässt sich zum Beispiel der Cholesterinmangel in der Haut durch spezielle fetthaltige Salben verbessern. Ob das wirklich funktioniert, müssen aber noch weitere Studien zeigen. (red, 15. 6. 2020)