Der weltweite Waldverlust geht unvermindert weiter, während der Coronakrise nahm er insbesondere im Amazonasgebiet sogar zu.
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Wien – Das US-Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) hat analysiert, wie hoch der Wert des globalen Waldbestands in US-Dollar wäre. Das Ergebnis: Die baumbewachsene Erdoberfläche beläuft sich auf rund 150 Billionen Dollar (132 Billionen Euro ). Bis zu 90 Prozent dieses Betrages ergibt sich aus der Fähigkeit der Wälder zur Klimaregulation. Doch BCG warnt zugleich vor einer drastischen Wertminderung.

Der gewaltige "Wälder-Wert" ergibt sich auch aus der fast vier Milliarden Hektar umspannenden Fläche weltweit. Fünf Nationen besitzen dabei aber mehr als die Hälfte der Waldfläche: Russland liegt mit 20 Prozent vor Brasilien (zwölf) , Kanada (neun), USA (acht) und China (fünf Prozent). Torsten Kurth , Geschäftsführer bei BCG-Deutschland und Mitautor des aktuelle publizierten Berichts bezeichnete die Quantifizierung der Wälder als eine "objektive Messung", die einen Beitrag leisten könne, den emotional geprägten Dialog über den Schutz der Wälder auf eine faktenorientierte Basis zu verlagern.

Grafik: Rund vier Milliarden Hektar der Erde sind von Wald bedeckt, das ist etwa ein Drittel der Landfläche.

Wichtige Waffe im Kampf gegen den Klimawandel

"Es ist entscheidend, jetzt entschlossen zu handeln, um die Zerstörung des Waldwertes zu stoppen – insbesondere angesichts der Rolle, die Wälder als mächtige Waffe im Kampf gegen den Klimawandel spielen", lautet das an Forderungen von Umweltschutzgruppen gemahnende Statement des Biochemikers, der bei BCG Landwirtschaft als ein Schwerpunktthema innehat.

Der Raubbau an den Wäldern durch Landnutzungsänderungen und der Klimawandel bedrohen den Bestand immens: Der Anteil dieser beiden Aspekte an der gesamten Wertminderung des "Rohstoffs" soll bis 2050 mit 27 von insgesamt 30 Prozent den Großteil der Verluste von über 800 Millionen Hektar ausmachen. Die verschwinden laut Analyse des Beratungsgesellschaft, wenn jetzt nichts unternommen werde.

Grafik: Bis zu 90 Prozent des geschätzten Wertes gehen auf die Klimaschutzfähigkeit der Wälder zurück.
Grafik: BCG

Waldzerstörung im Amazonas-Gebiet im Schatten der Coronakrise

Die Coronakrise habe den Waldverlust verschärft, hieß es weiter. Diese Aussage zeigten jüngst auch Medienberichte auf, wonach die Zerstörung im Amazonas-Gebiet im Schatten der Pandemie dramatisch zugenommen habe. "Illegale Holzfäller machen kein Home-Office", sagte Romulo Batista von Greenpeace in diesem Kontext.

Mit der raschen Entwaldung und Degradation mindert sich auch die Fähigkeit der Wälder, CO2 zu erfassen und zu speichern, was Klimawandel und Erderwärmung wiederum weiter voran treibt. Fünf Hauptbedrohungen wurden in der Analyse ausgemacht. Neben genannter Landnutzungsänderungen und steigenden globalen Temperaturen sind die weiteren drei Schädiger: nicht nachhaltige Schlägerung, so genannte abiotische Störungen wie Waldbrände, und erst ganz am Schluss natürliche, also biotische Störungen wie die Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten.

Grafik: Bis 2050 könnte der Waldwert global gesehen um bis zu 30 Prozent sinken.
Grafik: BCG

Wertminderung selbst bei umfassendem Schutz

Um das Ausmaß der Schädigung möglichst zu begrenzen riet BCG Regierungen, NGOs, Privatsektor und Verbraucher Maßnahmen zu ergreifen, die von der Wiederherstellung von Wäldern, über die Reduktion von Fleischkonsum bis hin zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf weniger als zwei Grad reichen – was sich mit den Pariser Klimazielen deckt. Die vollkommene Rettung ist auch bei Einhaltung dieser Punkte aber nicht in Sicht, sondern trotzdem wäre hier ein Wertverlust von zehn Prozent gegeben.

Um den Gesamtwert der Wälder heute zu erhalten oder sogar zu stärken, müssten fast utopisch anmutenden Maßnahmen ergriffen werden: Etwa auch die nur zum Teil kommerziell genutzten Wälder mit einer Fläche von über 2,7 Milliarden Hektar müssten dann nachhaltig bewirtschaftet und aufgeforstet sowie neue Wälder angepflanzt werden – und zwar auf einer Fläche, die größer als Australien ist. (red, APA, 16.6.2020)