Nicht die großen Tiere sondern die Winzlinge sind es, die in globalen Kreisläufen der Ozeane wie beispielsweise der Kohlendioxidstoffaufnahme aus der Atmosphäre die Hauptrolle spielen – und doch ist über die konkrete Funktionsweise der marinen Mikroorganismen erst wenig bekannt. Nun legt ein internationales Forscherteam mit neuen Ansätzen erstmals die Grundlage für eine genauere genetische Untersuchung einiger wichtiger Phytoplanktonorganismen. Die im Fachjournal "Nature Methods" präsentierte Studie eröffnet neue Wege zum Verständnis der Zusammenhänge zwischen von marinem Phytoplankton und Veränderungen in den Ozeanen.

Marine Mikroorganismen wie Bakterien und sogenannte Protisten bilden einen großen Teil der Biomasse in den Ozeanen. Protisten sind eine Gruppe von einzelligen Mikroorganismen, die einen festen Zellkern haben und sich dadurch von Bakterien unterscheiden. Viele Protisten sind Teil des Phytoplanktons. Sie treiben Photosynthese und spielen damit eine wichtige Rolle bei der CO2 aus der Atmosphäre. Außerdem bilden sie die Grundlage des Nahrungsnetztes, auf dem letztendlich die Meeresfischerei beruht.

Eine Alge der Gattung Micromonas, für die erstmals Transformations-Protokolle vorgestellt werden. Da die Alge mit dem Chloroplast (hier in Grün) Photosynthese betreibt und sehr häufig im Ozean vorkommt, spielt sie auch eine Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf.
Foto: Tom Deerinck

Schlüssel zu vielen Antworten

Dennoch ist wenig darüber bekannt, wie diese Mikroorganismen funktionieren. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es lange Zeit nicht möglich war, wichtige Arten des Phytoplanktons genetisch zu verändern. Doch genau diese Methode ist es, die Funktionsweise der Proteine zu untersuchen, die wesentliche Prozesse in den Organismen steuern. Fragen wie "Wie entstehen Schwankungen im Phytoplanktonwachstum?" oder "Was liegt der Reaktion verschiedener Algen auf jahreszeitliche Veränderungen im Ozean zugrunde?" könnten so beantwortet werden.

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat die Gordon und Betty Moore Foundation eine internationale Initiative zur schnellen Entwicklung genetischer Systeme in marinen eukaryotischen Organismen ins Leben gerufen. Eine nun präsentierte Studie vereint die Ergebnisse von Wissenschaftern aus 53 Institutionen und 14 Ländern. Sie wurde von Alexandra Z. Worden (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Deutschland) zusammen mit Julius Lukeš (Institut für Parasitologie, Tschechische Akademie der Wissenschaften, Tschechische Republik) und Thomas Mock (University of East Anglia, Großbritannien) geleitet.

Wie Mikroben auf Veränderungen reagieren

Gemeinsam arbeiteten die Mitglieder der internationalen Kooperation daran, neue Wege zur Untersuchung der einzelnen Proteine der Meeresprotisten zu entwickeln. "Die Methoden zur Analyse der Funktion einzelner Proteine von Schlüssel-Algengruppen geben der Wissenschaft Instrumente an die Hand, um vergleichbare Untersuchungen durchzuführen – die Rückschlüsse auf Faktoren zulassen, die es Algen ermöglichen auf Umweltveränderungen reagieren", erläutert Worden.

In der Publikation stellt Worden‘s Team Manipulationsprotokolle für die weit verbreitete Alge Micromonas vor. Diese winzige Zelle besteht fast ausschließlich aus Chloroplasten, den Organellen, in denen die Photosynthese stattfindet. Sie wurde erstmals in den 1950er Jahren entdeckt. Damals zeigte sich, dass sie im Ärmelkanal sehr häufig vorkommt. Heute ist sie für ihre weltweite Verbreitung von Pol zu Pol bekannt.

Das Konzept hinter den neuen Methoden basiert auf der genetischen Transformation. Das bedeutet, dass fremde DNA zur Produktion von Proteinen in einem Organismus genutzt werden kann oder dass ein bestimmtes Gen im Organismus ausgeschaltet oder entfernt werden kann. Bei vielen Organismen müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit diese Transformation geschehen kann. Um sie künstlich herbeizuführen, sind genaue Verfahrensabläufe zu beachten.

Grundlage für künftige Studien

Für viele Schlüsselarten der marinen Protisten wie Micromonas waren solche Protokolle jedoch nicht verfügbar – zumindest bis zu dieser Forschungsarbeit. Im Laufe des Projekts entwickelte das Team Verfahren, die 13 verschiedene Meeresprotisten erfolgreich transformierten und die Grundlage für eine Vielzahl zukünftiger Studien über ihre Ökologie und Evolution bilden.

"Die neuen Erkenntnisse werden es uns ermöglichen, die Mechanismen zu verstehen, mit denen Algen auf Veränderungen in der Umwelt reagieren. Dies betrifft sowohl das Verständnis saisonaler Schwankungen aufgrund eines natürlichen, jährlichen Rhythmus als auch Übergänge im Zusammenhang mit dem Klimawandel", sagt Worden. (red, 11.6.2020)