Chemotherapie bringt Krebszellen in Stress. Manche Krebszellen kommen gut mit dem Stress zurecht, das ist dann eine schlechte Nachricht: Die Therapie greift nicht.

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Eine Chemotherapie ist für viele Formen von Krebs das Mittel der Wahl. Doch jeder, der schon einmal behandelt wurde, weiß, dass es sich erst im Laufe der Behandlung herausstellt, ob eine Therapie greift. Will heißen: ob die Medikamente die Krebszellen zerstören können.

Ein großes Problem in der Krebstherapie ist die Resistenz gegenüber chemotherapeutischen Maßnahmen, also der Umstand, dass die Therapie nicht wirkt. Besonders bei wiederkehrenden Erkrankungen zeigen sich die Krebszellen gegenüber den Therapeutika oft unempfindlich.

Ein internationales Team um die Biochemiker Robert Ahrends von der Universität Wien und Jan Medenbach von der Universität Regensburg hat nun Chemo-Resistenzen als Folge einer speziellen zellulären Stressreaktion identifiziert, die bei den Krebszellen durch ungefaltete Proteine ausgelöst wird und Veränderungen im zellulären Stoffwechsel nach sich zieht.

Stress und Genetik

Die Ursachen von Chemo-Resistenzen sind vielfältig und häufig nur unzureichend verstanden. In vielen Fällen scheint die sogenannte zelluläre Stressantwort beteiligt zu sein – also eine Reihe an genetischen Programmen, die es den Zellen ermöglichen, auch unter schlechten Bedingungen überleben zu können. Es braucht dringend ein detailliertes Verständnis dieser Stressantwort, um das Auftreten von Chemo-Resistenzen besser verstehen und neue Therapieansätze entwickeln zu können.

"Unser Augenmerk galt insbesondere der Unfolded Protein Response, einer zellulären Stressreaktion, welche durch ungefaltete Proteine ausgelöst wird", sagt Robert Ahrends, Gruppenleiter am Institut für Analytische Chemie der Fakultät für Chemie. Die Unfolded Protein Response (UPR) ist dabei nicht nur an der Chemo-Resistenz und dem Fortschreiten von Krebsleiden beteiligt, sondern spielt auch bei einer Vielzahl weiterer Erkrankungen eine wichtige Rolle, etwa bei Diabetes oder neurodegenerativen Krankheiten.

Um die UPR molekularbiologisch genau zu erfassen, wendeten die Forscher modernste analytische Methoden im Rahmen eines Multiomics-Ansatzes an – also die Kombination von großen Datensätzen aus der Genetik, der Protein- und der Stoffwechselforschung. Die Forscher haben eine Reihe an Genen identifiziert, die unter Stress aktiviert werden und helfen sollen, das Überleben der Zelle zu sichern. Unter den identifizierten Molekülen finden sich nicht nur die bereits bekannten Gene der UPR, sondern auch eine Vielzahl weiterer, die zuvor noch nicht mit der zellulären Stressantwort in Verbindung gebracht wurden und eine wichtige Funktion im zellulären Stoffwechsel ausüben.

Änderungen im Kohlenstoff-Stoffwechsel

Die Regulation dieser Gene unter Stress führt zu einem veränderten Folsäure-abhängigen Ein-Kohlenstoff-Metabolismus. Veränderungen des zellulären Stoffwechsels sind charakteristisch für viele Krebsleiden. Sie helfen den Krebszellen, ihr schnelles Wachstum aufrechtzuerhalten. Nachdem die Forschenden in Tumorzellen Stress ausgelöst hatten, beobachteten sie auch eine vollständige Resistenz der Zellen gegenüber Chemotherapeutika, die ebendiesen Stoffwechselweg angreifen.

Dazu zählen Substanzen wie Methotrexat, das klinisch zur Behandlung von unterschiedlichen Krebsleiden und rheumatischen Erkrankungen breit eingesetzt wird. Detaillierte biochemische und genetische Untersuchungen bestätigten, dass es sich bei der entdeckten stressvermittelten Resistenz um einen neuartigen Mechanismus handelt, dessen genaue Entschlüsselung verbesserte Konzepte und Ansätze zur Überwindung von Resistenzen in der Krebstherapie erhoffen lässt. (red, 23.6.2020)