Der US-Fußballverband erlaubt Hinknien als Protestform. Auch im Ausland wird diese Geste praktiziert, hier bei den Damen von SGS Essen.

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Los Angeles/Lausanne – Politischer Protest könnte bei den Olympischen Spielen möglich werden, wenn es denn um die Ideale der Olympischen Charta geht. IOC-Präsident Thomas Bach hat auf den zunehmenden Druck der Athleten vor allem aus den USA reagiert und will politische Botschaften nicht mehr generell verbieten.

Umsetzung noch offen

Wie Bach erklärte, soll die Athleten-Kommission mit Sportlern aus aller Welt über Neuerungen diskutieren. "Die IOC-Exekutive unterstützt die Bemühungen der Athleten, herauszufinden, wie olympische Sportler ihre Unterstützung für die Prinzipien der Olympischen Charta auf würdige Weise ausdrücken können", sagte Bach in Lausanne.

Wie genau der Protest aussehen könnte – ob bei Olympia im Sommer 2021 in Tokio (23. Juli bis 8. August) der Kniefall erlaubt wird oder die Faust auf dem Siegerpodest ihr Comeback feiert, ließ Bach offen. "Da will ich den Gesprächen der Kommission nicht vorgreifen", sagte der IOC-Präsident.

Bach betonte aber auch, dass sich der Protest nur auf Inhalte und Werte beziehen dürfe, die bereits in der Olympischen Charta verankert seien. Das könnte zum Beispiel die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung oder Rassismus sein. Bach bezeichnete diese Haltung "als DNA des IOC".

Bislang verboten

So oder so, Bachs Wandlung kommt überraschend. Bislang wurden bei Olympischen Spielen jegliche Formen einer politischen Botschaft scharf sanktioniert. In der Regel 50 der Charta ist festgelegt, dass "politische, religiöse oder rassistische Demonstration oder Propaganda" bei den Spielen nicht gestattet sind.

Als berühmtes Beispiel harter Sanktionen gilt der Auftritt der 200-m-Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei Olympia 1968 in Mexiko. Aus Solidarität mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hoben die Athleten bei der Siegerehrung die Faust und wurden im Anschluss auf Geheiß des IOC aus dem US-Team ausgeschlossen.

Druck gestiegen

Bachs Kurswechsel ist dadurch zu erklären, dass der Druck vor allem aus den USA zu groß wurde. Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd und den folgenden Protestaktionen gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten die US-Athleten gefordert, ihre Haltung auch bei Olympia dokumentieren zu dürfen. Das Nationale Olympische Komitee USOPC reagierte und kündigte an, die herrschenden Regeln zu hinterfragen.

US-Fußballverband gesteht Fehler ein

Dies tat auch der US-Fußballverband und kippte gleich ein bisheriges Verbot: Mitglieder der US-Fußball-Nationalmannschaften dürfen während der Hymne wieder friedlich protestieren und sich beispielsweise hinknien. Der Fußballverband der USA entschuldigte sich insbesondere bei seinen schwarzen Spielerinnen und Spielern.

"Es ist klar geworden, dass diese Regel falsch war und von der wichtigen Botschaft, dass schwarze Leben wichtig sind, abgelenkt hat", heißt es in einer am Mittwoch (Ortszeit) verbreiteten Stellungnahme. "Der Sport hat eine starke Plattform für das Gute und wir haben diese Plattform nicht so effektiv genutzt, wie wir das hätten tun sollen. Wir können bei diesen speziellen Themen mehr tun, und das werden wir."

Zukünftig liege es an den Spielerinnen und Spielern zu entscheiden, wie sie ihre Bühnen nutzen wollen, um alle Arten von Rassismus, Diskriminierung und Ungleichbehandlung zu bekämpfen, teilte der US-Verband mit.

Rapinoe als Anlassfall

Eingeführt worden war die Regel 604-1 im Februar 2017, nachdem Spielführerin Megan Rapinoe sich aus Solidarität mit Footballspieler Colin Kaepernick ebenfalls bei der Hymne hingekniet hatte. Damit wollten beide gegen die Polizeigewalt gegen Schwarze demonstrieren. Seit der Afroamerikaner George Floyd am 25. Mai bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam ist das Thema in den USA so groß wie wohl noch nie und führte landesweit zu massiven Protesten und Demonstrationen gegen Rassismus. (APA/dpa, sid, 11.6.2020)