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Eine der prominentesten Kritikerinnen des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte: Maria Ressa, Chefin des Nachrichtenportals Rappler.

Foto: AP/Aaron Favila

Manila/Wien – Maria Ressa, die Chefin des Nachrichtenportals Rappler, gehört zu den prominentesten Kritikern von Präsident Rodrigo Duterte und seinem brutalen Vorgehen gegen die Drogenkriminalität. Bei einem Online-Pressetermin des International Press Institutes (IPI) äußerten sich die philippinische Journalistin und ihr Anwalt Theodore Te Mittwochnachmittag zur aktuellen Anklage sowie sieben weiteren.

In dem Fall geht es um einen 2012 auf Rappler erschienen Artikel über angebliche Verbindungen eines Unternehmers zu einem damaligen Richter am Obersten Gericht des Landes. Die Beschwerde des Mannes über den Artikel wurde 2017 zunächst zurückgewiesen, später erhob die Staatsanwaltschaft jedoch Anklage. Sie beruft sich dabei auf ein umstrittenes Gesetz zu Cyber-Kriminalität aus dem Jahr 2016, das auch rückwirkend anwendbar ist. Die höchstmögliche Haftstrafe beträgt laut Ressas Anwalt sieben Jahre.

"Handelt sich eindeutig um Muster"

Abgesehen davon werden Ressa bzw. Rappler in zusätzlichen Verfahren Steuerhinterziehung und Verstöße gegen die Finanzierung aus dem Ausland vorgeworfen. Drei weitere Anklagen wurden zurückgezogen. "Hier handelt es sich eindeutig um ein Muster. Ich hoffe, dass die Gerichtsbarkeit dem politischen Einfluss standhält und ich eine Geldstrafe erhalte", so Ressa, die seit 35 Jahren als Journalistin arbeitet. 2019 wurde sie wiederholt festgenommen und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Ressa führte aus, dass kritische Medien auf den Philippinen seit Dutertes Amtsanttritt in den letzten vier Jahren zunehmend bedroht oder geschlossen würden. Mittels Fake-Accounts sei ihr Team in den sozialen Medien von Regierungsmitarbeitern attackiert worden. Rappler würde v.a. junge Frauen beschäftigen – sie würden zehn Mal häufiger attackiert als Männer, sagt Maria Ressa.

"Als wir 2016 über Dutertes Propagandakrieg berichteten, erhielten wir pro Stunde 90 Hass-Nachrichten. In einer Rede sagte Duterte, dass wir auslandsfinanziert seien." Seine Mitarbeiter seien vor der Redaktion erschienen und hätten mit Erschießungen gedroht.

"Wir haben zurückgeschlagen, indem wir Dutertes Propaganda-Maschinerie und ihre Verbindungen nach Russland und China aufdeckten." Diese arbeite koordiniert und würde höchst professionell unterschiedliche sozialen Schichten ansprechen, sagte die Journalistin.

Fake Accounts

Doch für Medien sei es schwer, Dutertes Propaganda entgegenzutreten, sagte Anwalt Te. Die juristische Verfolgung sei neu und wegweisend – bisher seien Journalisten bedroht oder umgebracht worden. Die Beliebtheit des Präsidenten sei weiterhin hoch, so aber auch die Angst: Menschen, die sich über den besonders strengen Corona-Lockdown kritisch äußerten oder demonstrierten, wurden mittels Fake Accounts in den sozialen Medien attackiert, so Ressa. Ein neues Gesetz solle zudem aus jedem Regierungskritiker einen Terroristen machen können. Der vom Parlament verabschiedete Entwurf liegt jetzt dem Präsidenten vor.

Ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht des UN-Menschenrechtsbüros wirft den Philippinen beim Kampf gegen Drogenkriminalität schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Dazu zählten systematische Tötungen Tausender mutmaßlicher Drogenverdächtiger, willkürliche Verhaftungen und Verunglimpfung Andersdenkender. Das UN-Menschenrechtsbüro habe auch dokumentiert, dass von 2015 bis 2019 mindestens 248 Menschenrechtler, Juristen, Journalisten und Gewerkschafter im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden seien, hieß es weiter.

Die internationale Berichterstattung und Kritik habe zumindest zu weniger Toten geführt, so Ressa. "Wir werden mit unserer Arbeit fortfahren. Bitte berichtet auch weiterhin über uns, das hält uns am Leben", appelierte sie an die Medienvertreter. "Das ist ein existentieller Moment für unsere Demokratie. Wir Journalisten müssen uns unseren größten Ängsten stellen, unsere Rolle ist nun wichtiger als je zuvor. Wenn wir jetzt nachgeben, verlieren wir." (APA, 11.6.2020)