Fatma Akay-Türker trat als Frauensprecherin der IGGÖ und als islamische Religionslehrerin zurück.

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Ihre Mutter ist "besorgt und stolz". Besorgt, weil sich Fatma Akay-Türker durch ihren Rücktritt als Frauensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) und als Islamlehrerin auch Feinde machen wird. Und stolz, weil die 45-Jährige vieles erreicht hat, das für ihre Eltern, die hier als Gastarbeiter Zeitungen verkauft bzw. geputzt haben, undenkbar schien.

Zuerst holte der Vater die Mutter aus Mittelanatolien nach Wien, 1989 die 13-jährige Fatma und ihre Schwester. Sie waren buchstäblich "sprachlos" in Brigittenau. Die Vorzugsschülerin und Schulsprecherin in der Türkei landete, "weil das so üblich war", in der Hauptschule – und hantelte sich ehrgeizig von der vierten Leistungsgruppe für Kinder ohne Deutschkenntnisse in die zweite hinauf.

Mit 14 fing sie an, "bewusst zu lesen und nachzufragen"

Ihr fiel auf, dass in der Umgebung zwar viele Türken waren, "aber fast nur Männer, ohne ihre Familien und ungebildet". Sie wollte sich bilden und fing mit 14 an, "bewusst zu lesen und nachzufragen" – musste aber, "weil es für Gastarbeiterkinder nicht üblich war weiterzulernen", zuerst eine Lehre als Verkäuferin machen.

Dann die Rettung, wie sie sagt: Die Studienberechtigungsprüfung wurde eingeführt, der erste Sohn war geboren, 1996 fing sie an. Zwei Jahre später der zweite Sohn, sie ging studieren: Turkologie an der Uni Wien. Drittes Kind, Abschluss 2013, viertes Kind, Doktorat. Daneben arbeitete sie in Supermärkten, als Türkischlehrerin, seit 2011 als Religionslehrerin in niederösterreichischen Gymnasien. Ihr Mann, Koch und selbstständiger Gastronom, unterstützt sie in allem.

Ihre Töchter dürfen vor der Matura kein Kopftuch tragen

Mit 18 legte sie das Kopftuch an. Erst. Ihre Familie hätte es gern früher gesehen: "Wenn jemand sagt, ich soll, trage ich es nicht. Als ich mich dann frei dafür entschied, waren alle schockiert." Als ihre zehnjährige Tochter (die zweite ist sechs) fragte, wann sie Kopftuch tragen werde, antwortete die Mama: "Wann du willst, aber nicht vor der Matura." Sie sei "gegen Verbotspolitik und für Demokratie, Freiheit und Vernunft".

Und wie passt das alles zur Türkischen Föderation, dem Moscheeverband der rechtsextremen MHP ("Graue Wölfe"), die Akay-Türker in den Obersten Rat entsandt hat? Zuerst habe sie abgelehnt. "Aber als die Föderation versprochen hat, meine Frauenpolitik zu unterstützen, habe ich zugesagt: Als Wissenschafterin braucht man keine Ideologie, sondern Wissen und Vernunft."

Vernunft stehe im Zentrum ihrer Arbeit – und an die 700 Mal in dem Buch, das sie am meisten fasziniert: dem Koran. (Lisa Nimmervoll, 11.6.2020)